Zum Stadion durchkommen – keine Chance!

PROTEST Die Demos der WM-Gegner sind klein, die demonstrierte Staatsmacht ist hingegen umso größer

AUS RIO DE JANEIRO ANDREAS BEHN

Groß waren die Demonstrationen gegen die WM am Sonntag nicht. In Rio de Janeiro ging es dennoch recht heftig zur Sache. Unweit des Maracanã-Stadions hatten sich mehrere hundert Demonstranten unter bekannten Forderungen versammelt: „Fifa go home“, stand auf einem Transparent, andere machten Bürgermeister, Gouverneur und Präsidentin Dilma Rousseff für die hohen Kosten der WM und eine verfehlte Stadtplanung verantwortlich.

Dass sie nicht bis zum Stadion gelangen würden, in dem wenig später das Spiel Argentinien gegen Bosnien und Herzegowina angepfiffen wurde, war ihnen klar. Unzählige Polizisten und Soldaten in schwerer Montur und panzerartige Einsatzfahrzeuge standen im Weg. Sie versuchten es trotzdem, einige vermummt und mit Gasmasken ausgestattet.

Nach wenigen hundert Metern kam es bereits zur Konfrontation. Tränengasgranaten flogen durch die Luft, Gummigeschosse und Pfefferspray hielten die Protestler auf. Einige Polizisten sollen sogar mit scharfer Munition in die Luft geschossen haben – ein Vorwurf, der jetzt offiziell untersucht werden soll. Vermummte warfen Steine und auch einige Brandbomben. Später wurden einige Banken entglast. Noch Stunden danach machten Uniformierte Jagd auf die Demonstranten, festgenommen wurden nur wenige.

Die 75.000 Zuschauer im Stadion bekamen von all dem nichts mit, und so feuerten die argentinischen Fans weiter Argentinien an, die Brasilianer brüllten für Bosnien und Herzegowina. Anders als beim Confed-Cup-Endspiel wehte das Tränengas nicht bis aufs Spielfeld.

Auch in der Hauptstadt Brasilia und in Porto Alegre, den beiden anderen Spielorten des vierten WM-Tages, gab es Demonstrationen. Die Stimmung war gespannt, aber Zusammenstöße blieben aus. In Brasilia wurde der Marsch gut einen Kilometer vor dem Stadion gestoppt. Dort wurde die breite Durchgangsstraße kurzweilig in ein Fußballfeld verwandelt, aber das Spiel kam nicht richtig in Gang. Mehrsprachig kündigte ein Transparent die „WM der Demonstrationen“ an. Ein Demonstrant sagte, auch „aus dem Ausland und von der internationalen Presse bekommen wir Unterstützung“, dort sei man schockiert von dem, was hier in Brasilien passiert. In die Demonstration eingereiht hatten sich auch Lehrkräfte der technischen Schulen, die seit bald einem Monat streiken.

In Porto Alegre nutzten einige hundert Demonstranten den Schutz von zahlreichen Touristen im Stadtzentrum, um zu protestieren. Wegen des Rummels konnte die gefürchtete lokale Brigada Militar nicht wie gewohnt eingreifen. „Es wird keine WM geben“, verkündete das Leittransparent. Auch dort spielten einige Straßenfußball auf Kreuzungen, umringt von schwarzen ausgepolsterten Polizisten mit Schutzschildern.

Später feierte der Black Bloc Rio, bis zu einem Ausgang des Maracanã vorgedrungen zu sein. Dort hätten die „Touristen“ wenigstens mitbekommen, wie es jenseits der Stadien und Fanmeilen zugeht.

Bald darauf, nach dem 2:1-Sieg Argentiniens, waren die vor allem argentinischen Touristen wieder an der Copacabana versammelt, die sie seit Tagen in Besitz genommen haben. Tausende wohnen und kampieren dort, einige Tankstellen stehen voll mit alten Bussen und Lastwagen, in denen die Fans aus dem Nachbarland gekommen sind.

Auch dort gab es am Samstag Randale – wenn auch gänzlich unpolitischer Natur. Über tausend Fans blockierten feiernd die Strandpromenade, was ihnen einen rüden Polizeieinsatz und Pfefferspray einbrachte.