Eigentum Ehefrau

Faustschläge und Morddrohungen: Muharrem Y. soll seine Frau missbraucht haben. „Es ist schwierig, sich bei Konflikten zwischen Eheleuten an unserer Werteordnung zu orientieren“, sagt sein Anwalt

VON ELKE SPANNER

Am Abend des 20. Juli 2006 kommt es auf dem Parkplatz des Krankenhauses Hamburg-Altona zu einer Situation, von der es zwei Versionen gibt. Die eine schildert Muharrem Y., Angeklagter, als eine Begegnung unter Eheleuten. Die andere vertritt der Staatsanwalt am Amtsgericht, stellvertretend für Seriban K., die ihrem Ex-Mann nie wieder begegnen will. Diese Version beschreibt eine Geiselnahme: das gewaltsame Hineinzerren ins Auto, Faustschläge, Todesdrohungen, Todesangst. Gegen 3 Uhr nachts, inzwischen hat Muharrem Y. das Auto bis nach Krefeld gelenkt, befreit die Polizei die unter Schock stehende Frau.

Es ist die Version, der das Amtsgericht Glauben schenken wird. Aus einem einfachen Grund: Es gibt keinen Zweifel daran. Es gibt psychologische Gutachten, die bescheinigen, dass Seriban K. seither unter Depressionen, Angstzuständen und Schlafstörungen leidet. Es gibt das Attest des Krankenhauses, in dem sie sich nach ihrer Befreiung mit mehreren Verletzungen behandeln ließ. Es gibt eine Vorgeschichte fortwährender Misshandlungen und eine Verfügung des Familiengerichtes, dass sich Muharrem Y. seiner Frau nicht mehr nähern darf. Aber es gibt auch einen Rechtsanwalt, der darum ringt, bei der Beurteilung dieses Falles andere Maßstäbe anzulegen, und hierin liegt das Problem. Sein Mandant stamme aus der Türkei und somit einem anderen Kulturkreise, führt der Verteidiger aus. „Da ist es schwierig, gerade bei Konflikten zwischen Eheleuten, sich an unserer Werteordnung zu orientieren.“

Muharrem Y. ist ein Mann, der von seiner Wahrheit nur unter Zwang abrücken kann. Vor Gericht ist ihm zunächst nicht klar, dass er mit dem Leugnen der Entführung alles noch schlimmer macht. Solange bleibt er dabei, ihre Verletzungen habe Seriban K. nur „gespielt, sie liebt solche Nummern“. Angst vor ihm habe sie keine oder nur, „weil sie keinen schwarzen Gürtel hat“. Geschlagen habe er sie auch nie, „ich bin dagegen, dass man Frauen schlägt“, und als er ihr wenige Wochen vor der Entführung den Arm verdreht haben soll, wollte er ihr in Wirklichkeit nur einen Handkuss geben.

Dann aber steht die Frage im Raum, ob er bereit ist, für diese Version mehrere Jahre ins Gefängnis zu gehen. Die Richterin erklärt ihm, dass er mit dem Leugnen seine Ex-Frau zwinge, gegen ihren erklärten Willen vor Gericht zu erscheinen. Diese Hartnäckigkeit müsse er mit einer Verurteilung ohne Kompromisse bezahlen. Erspare er der Frau hingegen die Aussage, komme er womöglich mit einer Verurteilung im „minder schweren Fall“ davon.

Muharrem Y. wählt wieder einen Weg, der ihm ermöglicht, an seiner Wahrheit festzuhalten: Über seinen Anwalt lässt er den knappen Satz erklären, er räume die Tat ein – selbst würde er ein Geständnis nicht über die Lippen bringen. Der Verteidiger setzt sogar hinzu, seinem Mandanten täte die Geiselnahme im Nachhinein leid, doch das geht dem dann doch zu weit. Als die Richterin das Gutachten über die schwerwiegenden psychischen Folgeprobleme von Seriban K. verliest, schüttelt er unentwegt den Kopf. Sein Verteidiger, der eigentlich ein Geständnis für ihn abgelegt hatte, weist im Plädoyer dann doch noch darauf hin, dass Ärzte bei psychologischen Gutachten „immer das glauben, was der Patient ihnen erzählt“.

Der Staatsanwalt hält dem 39-Jährigen vor, er habe seine Frau behandelt „wie sein Eigentum, mit dem er machen kann, was er will“. Die Richterin verurteilt ihn zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. „Ich kann die Auffassungen Ihrer Kultur akzeptieren“, sagt sie. „Aber ich kann sie nicht hinnehmen, wenn sie zu solchen Taten führen.“