Gleicher Lohn für gleiche Bahner

VERKEHR Wettbewerb im Regionalverkehr soll nicht mehr auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Bahnunternehmen und Gewerkschaft einigen sich auf Branchentarif

„Meilenstein in der Tarifgeschichte der deutschen Eisenbahn“

ALEXANDER KIRCHNER, EVG-CHEF

AUS BERLIN RICHARD ROTHER

Durchbruch in der deutschen Tariflandschaft: Nach jahrelanger Aufweichung des Flächentarifsystems haben Unternehmer und Gewerkschaften einen bundesweit geltenden Tarifvertrag in einer Branche abgeschlossen, in der es bisher keinen gab, und zwar im Schienenpersonennahverkehr.

Auf den Branchentarif einigten sich die Deutsche Bahn, sechs große Bahnkonkurrenzunternehmen und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG); die Lokführergewerkschaft GDL war nicht beteiligt. „Im Gegensatz zu Herrn Geißler ist Struck ein Ergebnis gelungen“, sagte der Tarifschlichter und ehemalige SPD-Fraktionschef Peter Struck am Montag in Berlin über sich selbst. Heiner Geißler (CDU) hatte zuletzt versucht, im Streit über das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ zwischen Gegnern und Befürwortern zu schlichten.

Der neue Branchentarifvertrag tritt am 1. Februar in Kraft. Verbindlich gilt er für alle Strecken, die nach dem 1. Mai ausgeschrieben werden. Das heißt: In den Genuss der neuen Tarifregel kommen zunächst nur Beschäftigte, die benötigt werden, um neu ausgeschriebene Verkehrsdienstleistungen zu erbringen.

Hintergrund ist: Bereits bestehende Verkehrsverträge wurden oft auf Basis geringerer Löhne abgeschlossen; würden die Bahnkonkurrenten diese nun anheben, könnte ihre Kalkulation zusammenbrechen. Um zu verhindern, dass in einem Unternehmen unterschiedliche Löhne für gleiche Arbeit gelten, wollen EVG und Firmen nun Übergangslösungen finden. Rund 15 Millionen Zugkilometer im Regionalverkehr – das ist ein Gros des gesamten Marktes – werden in den nächsten Jahren von den Bundesländern neu vergeben.

Der Tarifvertrag gilt für rund 35.000 Beschäftigte im Schienenpersonennahverkehr. Er sieht vor, dass das Lohnniveau bei den privaten Bahnen maximal 6,5 Prozent unter dem der Deutschen Bahn AG liegen darf. Bisherige Haustarifverträge, die über dem Branchentarif liegen, behalten ihre Gültigkeit.

Mit dem Branchentarifvertrag soll verhindert werden, dass der Wettbewerb zwischen Bahn und Privatkonkurrenten um Aufträge im Regionalverkehr wie bislang auf Kosten der Beschäftigten ausgetragen wird. EVG-Chef Alexander Kirchner wertete den Branchentarifabschluss als „Meilenstein in der Tarifgeschichte der deutschen Eisenbahn“. Mit der Einigung sei eine „neue Branche geboren“, sagte die Verhandlungsführerin für die sechs privaten Bahnunternehmen, Ulrike Riedel. Erstmals werde deren Eigenständigkeit anerkannt. Beteiligt sind Keolis, Veolia, Arriva, Abellio, Benex und die Hessische Landesbahn.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) warb unterdessen für einen Strategiewechsel in der Bahnpolitik. Statt Milliarden in Großprojekten zu versenken, die nur der Bauindustrie nützten, solle nur in notwendige Projekte investiert werden, so BUND-Chef Hubert Weiger. Dazu zählten der Ausbau der Rheintalstrecke zwischen Karlsruhe und Basel sowie bessere Hinterlandanbindungen der Seehäfen.