JÜRGEN VOGT ZUR SCHULDENPOLITIK ARGENTINIENS
: Das sollte Schule machen

Darf ein Staat pleite sein? In Argentinien wird um eine Antwort auf diese Frage seit nunmehr 12 Jahren gerungen. Angefangen hat es 2002 mit dem öffentlichen Eingeständnis der staatlichen Zahlungsunfähigkeit. Der erste Staatsbankrott der neueren Finanzwelt war perfekt. Was folgte, waren Neuverhandlungen, ein Schuldenschnitt und die Wiederaufnahme des Schuldendienstes. Ein Beispiel, das Schule hätte machen können, gerade auch in Europa: Griechenland, Portugal, Spanien waren und sind geeignete Kandidaten.

Doch den Akteuren auf den Finanzmärkten geht es um das „darf“ in der Frage. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, machen Hedgefonds seit Jahren gegen Argentiniens Bankrotterklärung mobil. Unterstützt werden sie dabei von US-Richtern, die sich an den von der Finanzwelt selbst diktierten Gesetzen orientieren.

Wenn Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner davon spricht, dass Hedgefonds Hebel zur Aufrechterhaltung der Dominanz der Finanzmärkte gegenüber nationalstaatlicher Entscheidungsfreiheit sind, dann ist dies zwar ein Aufruf an die eigene Bevölkerung, sich als Bollwerk gegen die Aasgeier aus der Bankenwelt zu formieren, beinhaltet aber auch die Botschaft an die Regierungen anderer potenzieller Bankrottstaaten: Was uns passiert, kann euch bevorstehen.

Argentiniens Bevölkerung leidet seit Jahrzehnten unter der Staatsverschuldung. Vor allem das Zusammenspiel von korrupten und unfähigen Politikern auf der einen und einer gierigen und schmierigen Bankenwelt auf der anderen Seite hat das Land so tief in die Schuldenfalle getrieben: Schulden tilgen mit mehr Schuldenmachen war ein glänzendes Geschäft für wenige und ist noch auf lange Sicht eine große Last für viele. Und bis heute ist dafür niemand zur Rechenschaft gezogen worden.

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