Durchsage in fetten Blöcken

Paul Snowden will, dass es knallt. Der Exwerber überzieht die Stadt seit Jahren mit seinen Berlin-Brands: Plakate, T-Shirts, Grafik. Jetzt ist er Künstler. Seine erste Ausstellung, „In The Battle Against Evil The Good Will Prevail“, hat gerade eröffnet

VON JAN KEDVES

Ob es nun Kunst ist oder nicht, mit dieser Frage sollen sich doch bitte schön andere herumschlagen: Paul Snowden hat gerade seine erste Einzelausstellung eröffnet – in der Galerie Sandra Buergel hängen Plakate von ihm, dazu gibt es Installationen, eine Videoarbeit und eine Fotografie. Dennoch wirkt Snowden, wenn er über diese Ausstellung spricht, als sei sie ihm selbst etwas suspekt. „In der Kunst versucht man die Aussage doch eigentlich immer so gut wie möglich zu verstecken“, sinniert er. „Bei mir sind die Durchsagen immer so deutlich wie möglich.“

„Durchsage“, dieses Wort wählt Paul Snowden, der aus Neuseeland stammt und derzeit am Kottbusser Tor in einem asbestverseuchten Hochhaus lebt und arbeitet, nicht etwa, weil Deutsch nicht seine Muttersprache ist. Im Gegenteil: Er tut es ganz bewusst. „Ansage“, meint er, sei eigentlich der noch viel passendere Begriff, besser jedenfalls als „Botschaft“ oder „Message“ – Unworte, die ihn zu sehr an die beiden Jahre erinnern, in denen er Anfang des Jahrtausends in Hamburg viel Geld als Art Director bei Springer & Jacoby verdiente. Vom dekadenten Werberleben hatte er danach genug. Seitdem erscheint Paul Snowdens Schaffen als ein Versuch, sich unabhängig zu behaupten und ästhetisch zu radikalisieren – mit Plattencover-, Flyer-, T-Shirt-, Sticker- und Magazin-Gestaltungen. Sind das die Selbstexorzismen eines Exagenturlers? „Kann sein“, sagt Snowden.

Paul Snowdens Kunst besteht darin, Ideen auf den Punkt zu bringen. Mit seinen reduzierten, an einen Kondolenzbrief erinnernden Covergestaltungen für die Blumfeld-LP „Testament der Angst“ gelang ihm das ausgezeichnet. Sein Coverkonzept für die „Deutschland“-Ausgabe von Dummy schaffte dies ebenfalls: Es bestand nur aus Typografie. Snowden entwirft Plakate, auf denen riesig groß „Fuck“ oder „Leck mich am Arsch“ steht. Und auch vor ihm selbst macht sein Wille zur ästhetischen Radikalisierung nicht Halt: Snowdens Look aus Bomberjacke, Jogginghose, Glatze und Nike-Turnschuhen ist unverwechselbar – zumindest in der Berliner Vernissageszene, wo niemand so schlägertypmäßig rumläuft wie er.

Snowden ist eben das, was man als „Styler“ bezeichnet. Ein Artworker, ein Trademarker, der Duftmarken setzen will und das Auge mit typografischen Punches so lange penetriert, bis man irgendwann selbst ein ganz normales, in schnörkelloser „Helvetica“ oder „Futura“ gesetztes Werbeplakat für ein Werk von ihm hält. Nebenbei zeigt Snowden seinen Exkollegen, wie langweilig ihre Arbeiten sind: Als Berlin im letzten Sommer während der Fußball-WM mit Plakaten von Adidas zutapeziert war mit „We Came To Play“, war Snowden derjenige, der das „Play“ nachts in Adbuster-Manier mit „Fuck“ überklebte. Das saß. Darunter stand – in weißen Lettern auf schwarzen Balken – „Wasted German Youth“: Werbung für das eigene T-Shirt-Label.

Must Have Produkt

Von den unzähligen Trademarks, die sich Paul Snowden in seinem Leben schon ausgedacht hat – Trademarks müssen bei ihm keineswegs sofort geschäftstüchtige Unternehmen sein, ihm fallen einfach dauernd neue ein – ist „Wasted German Youth“ das, welches sich bislang am erfolgreichsten in eine Warenform übersetzen ließ. In Snowdens Wohnung am Kottbusser Tor liegen haufenweise T-Shirts in Pappkisten, die auf ihre Versendung warten – an Online-Besteller aus Amerika, aus Australien, aus Irland. Ein bisschen paradox findet zwar auch Snowden es, dass es erst einen in Berlin gestrandeten Einstürzende-Neubauten-Fan aus Neuseeland brauchte, um der mittlerweile weltweit berüchtigten Technoszene der Stadt eine griffige, funktionierende Trademark und ein Must-Have-Produkt zu verpassen. Doch das „Wasted German Youth“-T-Shirt steht wie kein zweites für die nie endenden Afterhours, die Drogen, die schlaflos geravten Easyjet-Touristen und den kompromisslosen Minimal-S! ound der Stadt. So wunderte es Snowden auch kaum, als vor kurzem die wichtigste amerikanische Zeitschrift für elektronische Musik, XLR8R, bei ihm anrief und ihn darum bat, für ihre Oktober-Ausgabe mit Berlin-Schwerpunkt das Cover zu gestalten. „Berlin Wasted Youth“ stand da nachher. Schwarz auf weiß, in fetten Blöcken: Ansage.

Techno ist denn auch ein wichtiger Teil von Snowdens Ausstellung „In The Battle Against Evil The Good Will Prevail“. Giftgelbe Plakate mit Acid-Smilies hängen dort an der Wand – Snowden hat sie vor Jahren für Bunker-Partys in der Roten Flora in Hamburg entworfen. Zur Eröffnung am letzten Samstag ließ er aus dem Keller der Galerie harte Technobässe pumpen, ein Stroboskop durchzuckte den Raum, in einer schwarz gelackten, nur mit einer Glühbirne und einem kleinen Spiegel ausgestatteten Box – das Klo aus einem Club? – ließ sich um den Preis des Geblendetwerdens das eigene Spiegelbild betrachten. Jetzt noch stinkt es in der Galerie nach Lack – was Snowdens Erwartung unterstreicht, dass, wer sich mit ihm beschäftigen will, etwas auszuhalten hat.

Paradoxerweise denkt er aber – während er gerade den Sprung vom Art Director zum Künstler macht – schon wieder in die entgegengesetzte Richtung. Werbung, so sagt er, findet er nämlich in Deutschland momentan so schlecht, dass es ihn fast schon reizen würde, wieder einzusteigen: „Ich fände es sehr lustig, wenn ich jetzt – als Künstler – wieder angefragt werden würde, Werbung zu machen“, sagt er. Seinen T-Shirts und seiner Ausstellung nach zu urteilen, müsste man sich dann zumindest um eines keine Sorgen mehr machen: Paul Snowden würde dafür sorgen, dass die Ansagen stimmen. Und dass die Plakate knallen.

Bis 27. 1, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Galerie Sandra Buergel, Hedemannstr. 25, Kreuzberg www.paul-snowden.com