Bilanz des Bologna-Prozesses

STUDIUM Ob Bologna die Studierenden mobil und erfolgreich macht, kann der Senat nicht belegen. Deren Bedarf an psychosozialer Beratung steigt jedenfalls

■ „Kein Grund zum Feiern“ sei der 15. Jahrestag der Bologna-Unterzeichnung, sagt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Zahlreiche Probleme seien durch die Reformen „nicht gelöst, sondern verschärft“ worden.

■ Anstelle einer Mobilitätsförderung sei es sogar schwieriger geworden, „die Grenzen zwischen Bundesländern zu überwinden“.

■ Der Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium gleiche „einem Lotteriespiel“. Da das Lehrpersonal mit bürokratischen Aufgaben überlastet würde, sei die notwendige intensivere Betreuung der Studierenden unmöglich.

Als eines der ersten Bundesländer begann Bremen mit der 1999 europaweit beschlossenen Einführung des Bachelor- und Mastersystems. Nun will die CDU vom Senat erfahren, wie dieser die Umstellung der Studienstrukturen beurteilt – den „Bologna-Prozess“. Die letzten Bremer Magister- und Diplom-Studiengänge laufen 2017 aus. Die einzigen Ausnahmen sind dann das Staatsexamen der Juristen und die „Freie Kunst“ an der HfK. Die darf ihre Diplom-Ordnung samt entsprechender inhaltlicher und zeitlicher Freiräume behalten.

Hat „Bologna“, wie beabsichtigt, die Mobilität der Studierenden erhöht? Schon hier bleibt der Senat die Antwort schuldig – muss aber einräumen, dass es nun weniger Studiengänge mit obligatorischem Auslandssemester gibt. Einzige Ausnahme ist die Hochschule. Immerhin scheint die Anrechnung von im Ausland erworbenen Studienleistungen gut zu klappen – wie viele das auch sein mögen.

Zum zweiten versprach Bologna, die „Wettbewerbs- und Beschäftigungsfähigkeit“ insbesondere der deutschen Uni-Studierenden zu erhöhen. Vergleichszahlen legt der Senat nicht vor. Die derzeitigen Beschäftigungsquoten der AbsolventInnen lesen sich allerdings eher durchwachsen. Anderthalb Jahre nach dem Bachelor-Abschluss weisen lediglich sieben von elf Uni-Fachbereichen eine wenigstens zweistellige Anstellungsquote ihrer AbsolventInnen auf. An der Spitze liegen die Wirtschafts- und die Kulturwissenschaftler mit 29 Prozent.

Als Erfolg im Sinne der Bologna-InitiatorInnen lässt sich einzig verbuchen, dass die durchschnittliche Studiendauer deutlich abnahm. Diplom- und Magisterstudierende pflegten ihre acht- bis neunsemestrige Regelstudienzeit im statistischen Mittel um 5,6 Semester zu überziehen. Im neuen System liegt der Durchschnitt nur ein bis drei Semester überm Soll. An der Uni wird die Regelstudienzeit sogar weitgehend eingehalten.

Legt man daneben, wie sich seit der Umstellung der Bedarf an psychosozialer Beratung entwickelt hat, ist der Befund eindeutig: Die Zahl der Beratungen hat sich seit 2000 mit 3.069 mehr als verdoppelt. Ohne Zahlen zu nennen relativiert der Senat diese Statistik mit Verweis auf die gestiegene Gesamtzahl der Studierenden. Ob diese ihre Studiensituation „als zunehmend belastend“ empfänden, könne auch auf Grund der Schweigepflicht der BeraterInnen nicht gesagt werden.

Das allerdings ist eine doppelte Nebelkerze: Zum einen kann das Studentenwerk sehr wohl quantifizierbare Auskünfte über Beratungsgründe geben – zum anderen sind die Studierendenzahlen zwischen 2000 und 2013 an der Uni nur von 18.076 auf 19.235 gestiegen. Über die Zufriedenheit der Lehrenden mit Bologna werden in Bremen laut Senat keine Daten erhoben. HENNING BLEYL