Klappertopf wieder bedroht

NATURSCHUTZ CDU-Senat stoppt Änderung des Flächennutzungsplans für die Kirchdorfer Feuchtwiesen. Schutz vor Bebauung wieder offen. Botanischer Verein zeigt sich entsetzt

Der Klappertopf ist ein Halbparasit, der die Wurzeln der Gräser in seiner Nachbarschaft anzapft

VON GERNOT KNÖDLER

Der CDU-Restsenat hat beschlossen, die endgültige Entscheidung über einen Schutz der Kirchdorfer Feuchtwiesen bis nach der Wahl aufzuschieben. Wie die Stadtentwicklungsbehörde bestätigte, wurde das Verfahren zurückgestellt „wegen der politischen Übergangssituation“. Außerdem sei die Absicht, hier keinen Wohnungsbau mehr zuzulassen, auf grundsätzliche Kritik gestoßen.

Horst Bertram vom Botanischen Verein zeigt sich entsetzt über dieses Vorgehen. „Der Bürgermeister pries auf dem Rathausmarkt die ‚Green Capital Hamburg‘“, sagt Bertram unter Verweis auf Hamburgs Rolle als Europas Umwelthauptstadt 2011. „Und wie handelt er hier?“

Die Feuchtwiesen westlich der Autobahn A 1 und nördlich der Hochhaussiedlung Kirchdorf Süd gelten als empfindlicher und sehr wertvoller Lebensraum. Vor einigen Jahren hat sich die kürzlich verstorbene Naturschützerin Loki Schmidt für den Schutz der Wiesen stark gemacht. Denn hier gedeiht der Große Klappertopf, die Blume des Jahres 2005, so üppig, dass die Wiesen auch „Klappertopf-Wiesen“ genannt werden.

Der Große Klappertopf steht für das, was diesen Lebensraum auszeichnet. Er gedeiht auf nährstoffarmem Boden und verschärft durch seine Lebensweise diesen Umstand noch. Denn der Klappertopf ist ein Halbparasit, der unter anderem davon lebt, die Wurzeln der Gräser in seiner Nachbarschaft anzuzapfen. Das verhindert, dass das Gras üppig wächst und verschafft allerlei blühenden Kräutern Entfaltungsmöglichkeiten.

Weil das so ist, sind 800 Unterschriften gegen eine Bebauung der Wiesen gesammelt worden. In ihrem Koalitionsvertrag vom April 2008 vereinbarten CDU und GAL: „Es wird keine Bebauung in Kirchdorf Nord (Klappertopfwiesen) geben.“ Dazu wurde im vergangenen Jahr eine Änderung des Flächennutzungsplans und des Landschaftsprogramms in Gang gesetzt, die jetzt unterbrochen ist. Die CDU scheint das als Möglichkeit nutzen zu wollen, sich vom schwarz-grünen Programm zu distanzieren.

Stadtplaner haben die Kirchdorfer Wiesen schon seit langem als Areal für Wohnungsbau im Auge. Vielen WilhelmsburgerInnen geht das gegen den Strich: Sie wollen den Osten ihrer Insel frei halten. Zuletzt planten Oberbaudirektor Jörn Walter und Uli Hellweg, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2013, innovativen Wohnungsbau auf den Feuchtwiesen. Er wolle versuchen, „eine Win-Win-Situation für das Wohnen und den Naturschutz zu schaffen“, warb Hellweg. „Grundsätzlich finden wir das Projekt, das wir entwickelt haben, immer noch gut“, sagt IBA-Sprecherin Sabine Metzger. Ein IBA-Projekt werde es aber nicht mehr.

Nach Informationen des Botanischen Vereins könnte eine Bebauung der Kirchdorfer Wiesen den nötigen Naturausgleich für Bauprojekte der IBA in Frage stellen. Der Ausgleich sei Sache der Stadtentwicklungsbehörde, sagt Metzger. Das Büro der ebenfalls 2013 stattfindenden Internationalen Gartenbauausstellung (IGS) teilte mit, die von ihm benötigten Ausgleichsflächen lägen nicht in den Kirchdorfer Wiesen, sondern östlich der Autobahn.