Alle Jahre wieder…

Reggae mit Jamaica Papa Curvin, Weihnachtslieder mit Bumms oder Ball mit einsamen Herzen. Besinnlich zu Hause vorm Weihnachtsbaum sitzen muss auch am Heiligen Abend niemand

Das allenthalben sicher nicht ohne guten Grund als „schönstes Fest des Jahres“ gepriesene Weihnachtsfest hat auch seine offenen Fragen. Eine davon ist jene nach den Möglichkeiten, außerhalb der geschlossenen Kreise der mehr oder weniger Nächsten am Heiligen Abend wie auch immer prekäre Formen von Gemeinschaft zu finden.

Eine mögliche Adresse dafür ist Jamaica Papa Curvins X-Mas Reggae-Konzert in der Markthalle. Noch in den 60ern brachte der Drummer, Sänger und Bandleader mit den „Bamboos of Jamaica“ karibisches Flair auf Kreuzfahrtschiffbühnen, wurde der Seefahrerei aber schnell überdrüssig und ließ sich stattdessen in Deutschland nieder. In den 80ern brachte er den Reggae auf Hunderten von Konzerten bis in den letzten Winkel der Bundesrepublik und heißt deshalb heute verdientermaßen „Germanys Grandfather of Roots Rock Reggae“. Seit 21 Jahren steht er nun am Heiligabend auf der Bühne der Markthalle – dieses Jahr unterstützt von Anthony Locks, „Rough House“ und der „KP Crew“ – und verkündet sein Credo: „Peace, Love – and Understanding“. Und das klingt ja schon ein wenig weihnachtlich. Auch in der Roten Flora, deren BesucherInnen ja bekanntlich ohnehin wenig heilig ist, erklingen spät abends statt Weihnachtsliedern tiefe Bässe. Hier nimmt man sich neben Reggae auch Artverwandtem wie Dub oder Ska an.

Wer nach „Jingle Bells“, Besinnlichkeit und Bescherung Lust auf Weihnachtslieder „mit ordentlich Bumms“ bekommen hat, ist ab 23 Uhr im Hafenklang-Exil gut aufgehoben. DJ Tomassive hat sich Gäste eingeladen, zusammen nimmt man sich mit „Lovesongs for the Unloved“ zwischen HipHop und Breakbeats vor, noch den letzten Funken Weihnachtsdepression lautstark aus dem ehemaligen Konsumtempel zu vertreiben. Dafür muss nicht einmal das schwer verdiente Weihnachtsgeld wieder auf den Kopf gehauen werden. Auf Eintritt wird schon aus Protest gegen das Kommerzfest verzichtet.

Einer besonderen Form intensiven Nicht-Alleinseins hat sich das Herzblut auf der Reeperbahn verschrieben: der Zweisamkeit. Um 22 Uhr öffnen sich die Türen für den „Ball der einsamen Herzen“ und alle, die das Fest der Liebe beim Wort nehmen wollen.

Aber auch für diejenigen, denen das Fest gar nicht schnell genug vorbei sein kann, wird gesorgt. Schon ab 21 Uhr treffen sich die des Weihnachtlichen längst Überdrüssigen im Eldorado in der Wohlwillstraße, um den Weihnachtsmann endgültig zu verabschieden. ROBERT MATTHIES