„Günther, sei ned so wehleidig und jammer ned“

„Lieber Hardliner für Recht, als Weichei für Unrecht“

CSU, Innenminister, Hardliner? Günther Beckstein über Ausländerfeindlichkeit, sein Image, das Ende mancher Träume, sein Hörgerät – und was seine Frau zu ihm gesagt hat

INTERVIEW MAX HÄGLER
UND LUKAS WALLRAFF

taz: Herr Beckstein, Sie sind seit 13 Jahren Bayerns Innenminister. Welche Einstellung gegenüber Migranten wünschen Sie sich von den Bürgern?

Günther Beckstein: Ich erwarte, dass die bayerischen Bürger weltoffen, aufnahmebereit und fair sind, aber nicht blauäugig und illusionär. Wenn Leute aus anderen Ländern oder anderen Erdteilen zu uns kommen, kann das eine Bereicherung sein, aber auch Probleme mit sich bringen. Wir sollten uns anstrengen, die Probleme abzustellen und die positiven Seiten hervorzuheben.

Das scheint nicht ganz gelungen. In einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung wird 42 Prozent der Bayern Ausländerfeindlichkeit bescheinigt. Platz zwei in Deutschland.

Wenn man ein derartiges Urteil bekommt, muss man sich das sorgfältig anschauen. Bei dieser Studie war der Maßstab falsch. Da gab es zum Beispiel die Frage, ob die Leute dem Satz zustimmen: „Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben.“ Wenn die Zustimmung dazu als ein Beleg für rechtsextreme Gesinnung gilt, dann sage ich: So ein Quatsch.

Wir haben nicht von Extremen gesprochen. Uns interessieren die konkreten Aussagen zur Ausländerpolitik, die in Bayern viel Zustimmung fanden.

Ich weiß jetzt nicht, welche Sie meinen.

Lassen Sie uns einen Test machen.

Von mir aus.

„Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet.“ Richtig?

Das ist mir zu unpräzise. Es ist keine Frage, dass es Probleme mit zu vielen Ausländern in bestimmten Stadtteilen gibt. Wenn in München-Hasenbergl in der Schule, wo die Freundin meines Sohns unterrichtet, über 80 Prozent nicht ordentlich Deutsch sprechen, ist das ein Riesenproblem. Aber nicht wegen irgendwelcher ethnischer Unterschiede, sondern weil es in solchen Schulen keine gleichberechtigten Ausgangschancen gibt. Das ist gefährlich. Natürlich weiß ich, dass es in manchen Kreisen nicht als politisch korrekt gilt, dieses Thema anzusprechen. Trotzdem sage ich: Es war auch lange Zeit nicht politisch korrekt, zu sagen: Wenn einer auf Dauer in Deutschland lebt, muss er Deutsch können. Inzwischen ist das Gott sei Dank fast Konsens.

„Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken.“ Richtig?

Auch diese Frage ist unpräzise: Wir haben ja beispielsweise viele Saisonarbeitnehmer, die nach der Saison wieder zurückgehen. Und die EU verhandelt gerade mit afrikanischen Ländern über temporäre Migration, das wäre dann eine Art Rotationsprinzip. Also, das ist nicht von Vornherein etwas Schlechtes. Ganz falsch wäre es aber, jemanden heimschicken zu wollen, der vor 25 Jahren beispielsweise zu Grundig geholt wurde und der 25 Jahre brav und solide gearbeitet hat. Den kann man nicht heimschicken, nur weil jetzt die Firma zumacht.

Warum denken viele Bayern dann: „Die Ausländer kommen nur nach Deutschland, um Sozialleistungen zu kassieren“?

Das ist so pauschal natürlich falsch, siehe Grundig-Arbeiter, aber so undifferenziert, wie die Fragen gestellt wurden, ist das für mich kein Maßstab. Ich kann schon verstehen, wenn da einer erst mal „trifft eher zu“ ankreuzt. Es ist Fakt, dass der Sozialleistungsbezug bei der ausländischen Bevölkerung um ein Mehrfaches höher ist. Allgemein: Man muss einmal deutlich machen, dass in der Gesellschaft nicht nur die demokratische Linke und die Mitte, sondern auch die demokratische Rechte einen Platz hat. Das ist für die taz vielleicht ungewöhnlich, aber richtig. Leute, die eine respektable demokratische konservative Einstellung haben, darf man nicht als Extremisten verteufeln. Ich tue das jedenfalls nicht. Ich sage: Auch ein demokratischer Rechter muss leuchtende Augen bekommen, wenn er Beckstein wählen darf.

Haben Sie es deshalb als eine „Auszeichnung durch den Gegner“ begrüßt, dass Flüchtlingsinitiativen Sie zum „Abschiebeminister 2006“ kürten?

Nein, sondern weil es zeigt, dass ich meine Aufgabe gut erfülle. Auch wenn es da manchmal eine ungerechte Arbeitsteilung gibt. Für die schönen Dinge des Lebens ist das Sozialministerium zuständig, etwa für Sozialleistungen, Kinderbetreuung und Integrationskurse. Die undankbare Aufgabe des Innenministers ist es, die durch Entscheidung einer Bundesbehörde abgelehnten Asylbewerber auszuweisen und abschieben zu lassen. Damit tue ich meine Pflicht, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn ich dafür einen solchen Titel bekomme, weil ich es offensichtlich besser mache als andere, sehe ich das positiv.

Das erklärt nicht, warum Sie Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, als „Gegner“ betrachten.

Nicht alle und nicht die Mehrheit. Aber von denen, die das in Nürnberg verliehen haben, kenne ich einige persönlich. Da war kaum einer von kirchlichen Initiativen dabei, aber etliche, die in hart linker Weise agieren, die selbst die taz als zu rechts bezeichnen. Um das deutlich zu sagen: Ich habe großen Respekt vor den meisten Leuten, die sich engagieren in der Flüchtlingsarbeit. Aber es wäre gut, wenn sie sich auf die konzentrieren, die anerkannt wurden und nicht nur auf jene, die abgelehnt wurden.

Sie wenden sich beharrlich gegen ein großzügigeres Bleiberecht für Flüchtlinge, die seit langem hier leben. Es geht um 180.000 Menschen. Warum ist Ihnen das Nein zum Bleiberecht so wichtig, obwohl die Asylbewerberzahl seit Jahren stark zurückgeht?

Schon bei 200.000 Leuten, die verpflichtet sind, das Land zu verlassen, aber weiter Sozialhilfe bekommen, kostet das Länder und Kommunen pro Jahr 1,3 Milliarden Euro. In den meisten Fällen geht es um Leute, die als Asylbewerber abgelehnt wurden, bei denen im weltweit sorgfältigsten Verfahren festgestellt wurde: Sie haben keine humanitäre Begründung, hier zu bleiben. Und gleichzeitig sagen wir einem Mann, der 30 Jahre lang in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hat: Wenn du mehr als ein Jahr arbeitslos bist, ist Schluss mit Arbeitslosengeld I, dann schau mal, welche Ersparnisse du noch hast! Da passt etwas nicht zusammen. Das ist für mich in der Tat eine grundsätzliche Frage des Gerechtigkeitsgefühls. Das verstehen unsere Wähler nicht.

Deshalb machen Sie 180.000 Flüchtlinge zum Riesenthema.

Ich habe das Bleiberecht nicht zum Thema gemacht. Ich habe darauf reagiert, dass die Bundesregierung Vorschläge zum Bleiberecht vorgelegt hat, die aus meiner Sicht zu weit gehen. Aber eben nicht nur aus meiner Sicht. Demokratie heißt Herrschaft des Volkes. Deswegen ist es aus meiner Sicht nicht ganz falsch, auch auf das Volk zu hören. Jeder hat das Wahlrecht, nicht nur eine Elite ab Chefredakteur. Auch derjenige, der von Kurt Beck als „abgehängtes Prekariat“ angesehen wird, hat ganz genau dieselbe Stimme wie der Ministerpräsident oder die Kanzlerin oder ich oder Sie. Deshalb ist mir die Meinung des Volkes wichtig.

Fragt sich nur, wo Ursache und Wirkung liegen. Ihr Chef Stoiber hat mal behauptet, die doppelte Staatsbürgerschaft gefährde die Sicherheit mehr als die RAF. Darauf wäre das Volk selber vielleicht gar nicht gekommen?

Die Aktion, die wir damals gemacht haben, hieß „Ja zur Integration, Nein zur doppelten Staatsangehörigkeit“. Das war die Zielsetzung, dafür haben wir viel Unterstützung bekommen, und das halte ich auch heute noch für völlig richtig.

Sie wissen doch, wie die Kampagne ankam. An den Unions-Ständen haben Leute gefragt: Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben?

Das ist eine These, die die Linken immer fälschlich verbreiten. Ich selbst war viele Stunden dabei und habe niemanden getroffen, der das gesagt hat. Dem hätte ich auch widersprochen. Es ging nicht gegen Ausländer. Wir wollten mehr Integration, aber anders als Rot-Grün wollten wir echte Integration, kein schlichtes Einerlei und Nebeneinanderher.

Der Integrationsminister von NRW, Armin Laschet (CDU), fordert jetzt etwas ganz anderes: Eine Einbürgerungskampagne. Machen Sie da mit?

Bei denen, die hier angekommen sind – nicht nur körperlich, sondern auch „geistig“ –, befürworte ich das sofort! Ich sage das übrigens auch in den Moscheen in Nürnberg und München: Lasst euch einbürgern, aber bitte mit Haut und Haaren. Ihr habt jede Chance, nutzt sie, sucht euch eure Ehepartner hier, lernt die Sprache. Aber Einbürgerung, die ja auch erst am Ende und nicht am Anfang der Integration steht, reicht natürlich nicht. Die Sprache allein auch nicht.

Was ist darüber hinaus zu tun?

Solange wir es nicht schaffen, die Migranten mit mindestens den gleichen Chancen zu versehen wie die Einheimischen, wird es immer Probleme geben. Das hat man in Frankreich gesehen, wo die randalierenden Jugendlichen alle Französisch sprechen. Die aufnehmende Gesellschaft hat eine Menge an Verantwortung, sie muss Migranten die Möglichkeit geben, sich in ihrer Gesellschaft zurechtzufinden und zu Aufsteigern zu werden. Dazu müssen Sie sich jetzt eine kleine PR der CSU anhören: In Bayern beträgt der Kindergartenzuschuss für den Einheimischen 100 Prozent und für den Migranten 130 Prozent. Warum? Weil man weiß, dass der Einheimische die herkömmlichen Techniken lernen muss, während der Migrant neben der Sprache noch viel mehr lernen muss. Deshalb ist der pädagogische Aufwand viel größer. Das zeigt, wie vorbildlich wir in Bayern sind.

Dienen die von der Union forcierten Debatten um Leitkultur und Patriotismus auch der Integration?

Ein gesunder, demokratischer, toleranter Patriotismus ist geradezu notwendig für die Integration. Die Integration der Türken in unser Land ist doch auch deshalb so schwierig, weil das türkische Nationalgefühl viel stärker ist als das deutsche. Und wenn wir von der Leitkultur reden, muss klar sein, dass der Franzose auf seine Leitkultur mindestens so stolz sein darf, und ich füge hinzu: Dasselbe gilt für den nicht eingebürgerten Türken, der auf die großartige und alte Kultur seines Landes stolz sein kann.

In der CSU gilt seit Franz Josef Strauß: „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben.“ Sie sagen, Sie werben um rechte Wähler. Wo ist da die Grenze?

Darüber kann man streiten, schauen Sie die Ebert-Studie an: „Wir müssen endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben.“ Der Satz hätte von Charlotte Knobloch oder Horst Köhler im Zuge der Fußball-WM kommen können. Das wird in der Studie aber als Beleg für Anfälligkeit für Rechtsextremismus gesehen. So kommen wir nicht weiter. So einen Satz muss man als demokratischer Politiker vertreten können, als CSU-Politiker auf jeden Fall. Aber ich sage auch: In der Bekämpfung von Rechtsextremismus lasse ich mich von niemanden übertreffen. Die Auseinandersetzung gegen die Republikaner habe ich mit besonderer Schärfe geführt, in der Auseinandersetzung um das Verbot der NPD war ich einer der Urheber. Leider waren wir nicht erfolgreich …

das Bundesverfassungsgericht hat den NPD-Verbotsantrag abgelehnt.

Aus meiner Sicht war das ein falsches Urteil, das ich aber selbstverständlich akzeptiere. Ein neuer Verbotsantrag würde übrigens nichts bringen, wir müssen die NPD politisch bekämpfen.

Nur mit welchen Mitteln? Machen wir uns nichts vor, es gibt doch Überschneidungen mit Ihren Aussagen. „Wir brauchen ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz“ – so was hätte auch von DVU oder NPD kommen können.

Eine richtige These wird nicht falsch, wenn sich Falsche dranhängen. Bei vielen sozialen Themen können Sie sogar erleben, dass die NPD – und übrigens auch die Linkspartei – fordert, was auch die Kirchen fordern.

Aber Sie liefern Steilvorlagen für die Rechtsextremen, wenn Sie betonen: Die geduldeten Menschen kosten jährlich 1,3 Milliarden Euro.

Die NPD ist doch nicht mein Maßstab. Die NPD hat sehr viele Anknüpfungen an den Nationalsozialismus. Da sieht man übrigens den recht engen Zusammenhang zwischen Linksextremismus und Rechtsextremismus.

Herr Beckstein, Sie sagten, das Innenministerdasein sei manchmal ein undankbarer Job. Ärgert es Sie, dass Sie vor allem als Hardliner bekannt sind?

Also, ich bin lieber Hardliner für Recht und Ordnung als Weichei für Unrecht und Unordnung. Trotzdem fühle ich mich nicht richtig getroffen, wenn ich nur als demokratischer Rechter bezeichnet werde. Meine Positionen werden von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung geteilt. Ich nehme für mich auch in Anspruch, jemand zu sein, der eine ethische Fundierung hat und der seine Politik auch hinterfragen lässt.

Sie sind aktiver evangelischer Christ …

… und so zählt immer auch meine individuelle Gewissensentscheidung. Ich war der erste Innenminister, der bereit war, Bosnier in großem Umfang aufzunehmen. Als aus dem ehemaligen Jugoslawien zehntausende von Vergewaltigungen gemeldet wurden, haben wir nicht lange rumgetan, da haben wir gesagt: Wir nehmen auf. 65.000 Menschen waren es in Bayern. Als später der Flüchtlingstreck aus dem Kosovo kam, hat Otto Schily angerufen und gefragt, ob wir aufnehmen können. Ohne jedes Zögern habe ich die ersten 5.000 in Bayern aufgenommen.

Wenn Sie solch ein Herz für Kriegsflüchtlinge haben, wieso schieben Sie dann Irakflüchtlinge jetzt ab?

Nur Leute aus dem Nordirak, aus Kirkuk werden zurückgeführt – und zwar ausschließlich Kurden. Die irakische Regierung und internationale Stellen sagen, dass diese Teile sicher sind. Wobei selbstverständlich auch bei den irakischen Kurden noch jeder Einzelfall zu überprüfen ist.

„Beckstein“ und „Innenminister“ – das sind fast Synonyme. Wollten Sie das, als Sie in die Politik gingen?

Wenn mir das jemand 1974 gesagt hätte – damals bin ich als 30-Jähriger in den Landtag gekommen –, hätte ich ihn für verrückt gehalten. Ich war zu der Zeit jemand – das könnt ihr jungen Leute euch nicht vorstellen –, der geradezu ehrfürchtig war, als er das erste Mal den Innenminister Bruno Merk gesehen hat. Der war beinahe ein Überirdischer für mich. Ich wollte dann 1987 ja eigentlich Oberbürgermeister in Nürnberg werden. Es ärgert mich noch heute, dass ich damals verloren habe.

2005 schien es kurz so, als könnten Sie Ministerpräsident werden.

Es hat Zeiten gegeben, wo ich dachte, dass es auch andere Aufgaben geben würde, die mich reizen. Aber das Leben bietet große positive Überraschungen, manchmal auch Enttäuschungen. Meine Frau hat zu mir gesagt, wie ich da ein wenig rumgejammert hatte: Günther, sei ned so wehleidig, es ist doch selbstverständlich, dass manche Träume nicht in Erfüllung gehen. Darüber wird ned gejammert. Das habe ich in der Zwischenzeit voll verinnerlicht und habe weiterhin zu 100 Prozent Freude an diesem Job.

Der Ministerpräsidententraum ist aus?

Ja, der ist abgehakt.

Als Stoiber ankündigte, nach Berlin zu gehen, haben Sie gegen Erwin Huber um die Nachfolge gekämpft. Nehmen Sie es Stoiber übel, dass er Sie mit seinem Hin und Her in eine schwierige Lage brachte?

Dass es am Anfang eine Verunsicherung gegeben hat, bestreite ich nicht. Aber wir haben uns mehrfach in aller Ehrlichkeit und Offenheit ausgesprochen, und ich habe mich dann als einer der Ersten aus der Spitzenlinie der CSU dafür ausgesprochen, dass Edmund Stoiber 2008 wieder kandidiert.

Und Sie? Wollen Sie nicht doch noch mal andere Aufgaben angehen?

Nein, auch der Bundesinnenminister ist abgehakt. Ich nehme für mich in Anspruch, mein derzeitiges Amt nicht zu 99 Prozent, sondern zu 100 Prozent zu machen. Obwohl ich am 27. Dezember 2004 einen schweren Hörsturz hatte. Das war ein schlimmes Erlebnis. Ich war in der Zeit – das war mein Ehrgeiz – in der Früh zwei, drei Stunden zur Infusion im Krankenhaus und habe abends Veranstaltungen gehabt, zum Teil TV-Diskussionen. Danach habe ich Bundestagswahlkampf gemacht mit vollem Einsatz. Ich weiß inzwischen, dass man dem Herrgott danken muss, wenn man die gesundheitlichen Voraussetzungen hat, so ein Amt zu machen.

Das erinnert an Matthias Platzeck, der nach einem Hörsturz den SPD-Vorsitz aufgeben musste.

Ich habe immer noch einen Tinnitus, der sehr unangenehm ist und sehr unregelmäßig kommt. Ganz bewusst und übrigens gegen den Rat meiner Mitarbeiter habe ich entschieden, öffentlich ein Hörgerät zu tragen und auch offen darüber zu reden. Wobei so ein Gerät die Eitelkeit ein wenig mehr stört als eine Brille, aber ich meine, man muss mit solchen körperlichen Handikaps oder auch sonstigen Fehlern sehr offen umgehen. Das gilt auch für meine Amtsführung, in der ich mich für Menschen mit Behinderung stark eingesetzt habe. Die bayerische Polizei etwa hat die Behindertenquote letztes Jahr erhöht. Wir ermöglichen Rollstuhlfahrern das Arbeiten in der Einsatzzentrale der Polizei. Oder ich denke an einen Mann mit einem Alkoholproblem, der in einer Behörde arbeitet. Der wird nicht abgeschrieben. Ich habe mit dem Vorgesetzten ein intensives Gespräch geführt, dass er sich um diesen Mann zu kümmern hat und ihn aus seiner schwierigen Situation wieder herausführen muss. Das sind Dinge, wo man dazulernt. Als 30-Jähriger hätte ich das nicht gesehen. Aber nach einem langen politischen Leben sind das Dinge, die mir wichtig geworden sind.

Klingt ein wenig nach Abschied.

Nein, ich habe in meinem Vorstand gesagt, dass ich wieder zum Bezirksvorsitz in Nürnberg kandidiere, die Amtszeit dauert zwei Jahre. Ob ich 2008 wieder für den Landtag kandidiere, dann bin ich 64, das werde ich 2007 entscheiden. Dazu gehört, ob ich auch dann noch körperlich und politisch gesund bin.