In der Bespitzelungsaffäre Pauli gerät Edmund Stoiber unter Druck
: Der König steht im Schach

Moral ist immer auch eine Frage der Macht. Beklemmend oder lustig – je nach Standpunkt – wird es für Außenstehende, wenn diejenigen, die einst die unangefochtene Definitionsmacht über den Sittenkodex hatten, nicht erkennen, dass sich der Wind gedreht hat. Die CSU-Spitze liefert dafür derzeit ein anschauliches Beispiel.

Egal, worüber bei dem Telefonat zwischen dem damaligen Büroleiter des bayerischen Ministerpräsidenten und dem Wirtschaftsreferenten von Fürth im Detail gesprochen wurde – in einer Hinsicht sind beide glaubwürdig: dass sie nämlich ihre Unterhaltung nicht als Bespitzelung der Fürther Landrätin Gabriele Pauli verstanden haben. Sondern als ganz normales Gespräch. Kein Wunder.

Es war ja fast schon zum Gewohnheitsrecht geworden, dass man in Bayern ruppiger mit Gegnern des Landesfürsten umgeht als andernorts. Wer seinem Herrn einen Dienst erweisen wollte, hatte hingegen noch nie Anlass zu Furcht oder Scham. Falls man es für geboten hielt, einer weithin unbekannten Provinzpolitikerin die Instrumente zu zeigen, dann spricht vieles dafür, dass man sich mit moralischen Skrupeln nicht lange aufgehalten hat.

Nun ist nicht bewiesen, dass die Kritikerin von Edmund Stoiber tatsächlich mit Informationen aus ihrem Privatleben unter Druck gesetzt werden sollte. Sehr wohl bewiesen aber ist, dass es in der Vergangenheit vielen Leuten nicht gut bekam, sich mit dem Ministerpräsidenten anzulegen. CSU-Politiker wie Theo Waigel und Alfred Sauter könnten da manches erzählen. Ihnen blieb nichts übrig, als sich zähneknirschend in ihr Schicksal zu fügen.

Jetzt aber steht Edmund Stoiber unter Druck. Wenn einer Landrätin gelingt, woran politische Schwergewichte gescheitert sind, dann gibt es dafür nur eine Erklärung: Der König steht im Schach. Ob das Bauernopfer des Büroleiters als Befreiungsschlag genügt, ist fraglich. Zumal Stoibers Mitstreiter die Gefahr offenbar immer noch unterschätzen. Wenn CSU- Generalsekretär Markus Söder jetzt Gabriele Pauli auffordert, von ihrem „Ego-Trip“ herunterzukommen, dann zeugt das von erheblichem Realitätsverlust. BETTINA GAUS