Eine gemischte Bilanz der Tsunami-Hilfe

Thailand und Indien haben den Wiederaufbau fast beendet, in Aceh dauert er an. In Sri Lanka verhindern Kämpfe Hilfe

BERLIN taz ■ Zwei Jahre nach dem Tsunami im Indischen Ozean, der mindestens 230.000 Menschenleben forderte, fällt die Wiederaufbau-Bilanz der großen Hilfswerke unterschiedlich aus. In Thailand, wo 5.400 Menschen durch den Tsunami starben – die Hälfte davon ausländische Touristen – ist der Wiederaufbau weitestgehend abgeschlossen. Auch im Süden Indiens, wo 18.000 Menschen ums Leben kamen, wurden inzwischen 28.000 Häuser und 270 Schulen wieder aufgebaut. Die indonesische Provinz Aceh war mit 170.000 Todesopfern am schwersten betroffen.

Die Kosten für den Wiederaufbaus werden auf 4,6 Milliarden Euro geschätzt. Deutschland ist mit bilateralen Hilfszusagen in Höhe von 185 Millionen Euro unter den fünf größten Geberländern. In Aceh engagieren sich die meisten Hilfswerke langfristig. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das nach dem Tsunami mit fast 125 Millionen Euro die höchste Summe privater Spenden in Deutschland erhielt, will bis 2010 vor Ort bleiben. 44,6 Millionen Euro setzt das DRK für Soforthilfe, Wiederaufbau und Katstrophenschutz in Indonesien ein. Die Deutsche Welthungerhilfe (DWHH) plant, bis 2009 unter anderem beim Hausbau und bei der Trinkwasserversorgung aktiv zu bleiben. Das Hilfswerk hatte 46,5 Millionen Euro Spenden eingenommen. 15 Millionen davon sind für Aceh eingeplant.

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zieht eine positive Bilanz des bisher geleisteten Wiederaufbaus. Dass in der Provinz wieder Frieden herrsche, sei auch den vielen Spendern zu verdanken, so Wieczorek-Zeul in der vergangenen Woche nach einem Besuch in Aceh. Das katholische Hilfswerk Caritas warnt hingegen vor einem zu frühen Rückzug aus der Tsunami-Hilfe. „Die Verteilung von Booten und der Bau von Häusern ist nur eine Hälfte der Hilfe“, so der Leiter von Caritas International, Oliver Müller. Caritas Deutschland hat 52,1 Millionen Euro an Tsunami-Spenden verbucht. 7,25 Millionen Euro wurden in Indonesien ausgegeben, für 2007 bis 2010 sind weitere 4,45 Millionen eingeplant.

Weil durch Umsiedlungen das soziale Gefüge der Überlebenden zerbrochen sei, müsse mehr Augenmerk auf Selbstorganisation gelegt werden. Wichtig sei auch, die Bewohner im Hinterland nicht zu vergessen, so Müller. Müllers Kritik bezieht sich auf die Not leidenden Bürgerkriegsflüchtlinge in Aceh, deren Benachteiligung gegenüber den Tsunamiopfern zu Spannungen geführt hatte. Erst spät haben sich die Helfer den tausenden Kriegsvertriebenen zugewandt.

In Sri Lanka ging der Bürgerkrieg dieses Jahr in eine neue blutige Runde. Im umkämpften Norden und Osten stockt der Wiederaufbau, weil viele Organisationen ihre Mitarbeiter abgezogen haben. Die Zahl der Hilfsbedürftigen wächst während der neuen Kämpfe, die in diesem Jahr über 3.000 Menschenleben forderten, drastisch. Angesichts zehntausender zwischen den Fronten eingeschlossener Zivilisten drohe eine humanitäre Katastrophe, warnen Hilfsorganisationen.

Um politischen Druck auf die Konfliktparteien auszuüben, hat das BMZ kürzlich die Zusage von 25 Millionen Euro Wiederaufbauhilfe für Sri Lanka gestoppt und einen Teil des Geldes nach Aceh umgeleitet. Ministerin Wieczorek-Zeul räumte ein, dass das zwar für die Tsunami-Opfer in Sri-Lanka „eine Katastrophe“ sei, man aber wegen des mangelnden Zugangs für Helfer in die Konfliktgebiete keine Alternative sehe. ANETT KELLER