Autonome verschenken Potenzial

STRESS IN FRIEDRICHSHAIN

Dass die autonome Szene oder die Beteiligung an diesen Aktionen wächst, ist nicht festzustellen

Eindrucksvoll, für manche vielleicht auch beängstigend sind die Bilder schon, die vor ein paar Tagen in Friedrichshain entstanden: brennende Barrikaden auf der Rigaer Straße am Samstag, Farbbeutel- und Böllerwürfe am Sonntag. 26 verletzte BeamtInnen zählt die Polizei, Innensenator Frank Henkel (CDU) spricht von einer „kriminellen Gewaltaktion“ durch „Chaoten“.

Ist die autonome Szene in Friedrichshain, zuletzt geschwächt durch Räumungen und Repression, zurück? Wird es nun jedes Wochenende Straßenschlachten in der Rigaer geben, müssen AnwohnerInnen mit brennenden Autos rechnen?

Nein. Die Ereignisse vom Wochenende sind kein Zeichen einer neuen Entwicklung, sondern folgen altbekannten Mustern: Eine politische Aktion, ob Demo oder ein Straßenfest, mündet in Scharmützel zwischen Polizei und einem kleinen Teil der Anwesenden. Die Polizei geht hart vor, die Protestierenden antworten mit ihren Mitteln, am nächsten Tag nennt der Innensenator sie „Chaoten“. Das gibt es regelmäßig in Berlin und natürlich gerade in Friedrichshain. Dass die autonome Szene oder die Beteiligung an diesen Aktionen wachsen würde, ist nicht festzustellen.

Dabei sind die Themen hinter diesen Aktionen in der ganzen Stadt virulent: Gentrifizierung, Verdrängung, Recht auf Stadt. Dieses Urthema der Hausbesetzerszene bringt sehr wohl immer mehr Menschen auf die Straße – aber eben nicht in die Rigaer. Die dortigen Scharmützel bleiben Sache einer kleinen, relativ abgeschotteten Szene und sind deswegen politisch irrelevant, egal ob da jetzt mehr Mülltonnen brannten als sonst. Andere Aktionsformen zum gleichen Anliegen, wie die Blockaden von Zwangsräumungen oder die Lärmdemos von Kotti & Co, mobilisieren besser und vor allem breiter. Dieses Potenzial verschenken die Autonomen, wenn sie sich wie am Wochenende auf die Produktion immergleicher Bilder beschränken.

MALENE GÜRGEN