Die Hölle ist voller Wiederholungen

POSTROCK Die kanadische Band Godspeed You! Black Emperor spielte am Donnerstag im Astra Kulturhaus

VON TIM CASPAR BOEHME

Politische Musik braucht keine Parolen. Sie kann ihre Haltung auch durch Stimmungen ausdrücken, das eigene Unbehagen an die Hörer weitergeben, in der Hoffnung, dass diese es dann schon irgendwie verstehen. Das kanadische Kollektiv Godspeed You! Black Emperor etwa – der seltsame Name stammt von einem japanischen Dokumentarfilm über eine Motorradgang – macht instrumentalen Kammerrock, mit dem es durchaus außermusikalische Ziele verfolgt. Doch das hindert einen nicht daran, die Musik auch unter vorrangig ästhetischen Gesichtspunkten zu hören. Am Donnerstag gab es im Astra Kulturhaus eine der seltenen Gelegenheiten, die epischen Apokalyptiker auf der Bühne zu erleben.

Konzertankündigung

Schon lange hatte man nicht mehr so richtig von ihnen gehört. Das letzte Album erschien 2002, im Jahr darauf kündigte die Band eine Pause an. Danach kursierten immer wieder Gerüchte, man habe sich ganz aufgelöst. Umso überraschender war dann die unerwartete Ankündigung im vergangenen Sommer, die Band werde wieder auf Tournee gehen und ein einziges Konzert in Deutschland geben. Das Interesse der Fans sollte sich denn auch als ungebrochen erweisen: Schon im Dezember waren die Karten ausverkauft.

Seit ihrem Debütalbum aus dem Jahr 1997 gelten Godspeed als emblematische Vertreter des Postrock, jenes Genres um Bands wie Tortoise oder To Rococo Rot, in dem wohlvertraute Rockgesten aus ihrem Kontext gerissen und Songstrukturen stark entkernt wurden, um stattdessen mit sparsamen wie repetitiven Mitteln einen minimalistischen Entwurf von Gitarrenmusik zu verfolgen, der oft an Krautrockbands wie Can oder Neu! erinnerte. Obwohl die Band aus Montreal die Bezeichnung „Postrock“ für sich stets ablehnte, bedient sie sich derselben Strategien.

Bei Godspeed gibt es einige wenige Riffs oder Gitarrenlinien, die sich minutenlang wiederholen und zu denen sich nach und nach weitere Elemente wie eine äußerst verknappte Geigenmelodie oder ein paar Töne vom Glockenspiel hinzugesellen, um sich ganz allmählich auf einen Höhepunkt hin zu steigern, der nie wirklich erreicht wird. Dabei sind so viele einzelne Stimmen miteinander verschaltet, dass die Musik eine ähnliche emotionale Wirkung erzielt wie ein großer Sehnsuchtssoundtrack, nur dass die klebrigen Melodien zum Abheben fehlen.

Dabei agieren die Musiker wie ein Kammerensemble ohne erkennbaren Anführer, dominant erscheint hier niemand. Zudem verzichten sie auf jegliches elektronisches Gerät. Neben zweifachem Schlagzeug und Bass sowie Gitarren spielt man klassische Instrumente wie Geige und Cello, einzig die gelegentlich gesprochenen Monologe, seit je eines ihrer Markenzeichen, stammen vom Band. Und das Bildmaterial im Hintergrund, ebenfalls fester Bestandteil des Programms, wird nicht etwa per Beamer auf die Bühnenleinwand geworfen, sondern leuchtet aus zwei herkömmlichen Filmprojektoren.

Edler Weltuntergang

Zu sehen sind dunkle Wolken, durch die ein bleicher Mond schimmert, Dampf, der aus den Rohren irgendeiner Industrieanlage schießt, oder das zittrig flackernde Wort „Hope“, eine Hoffnung, bei der man nicht recht weiß, ob sie vielleicht schon längst verloren ist. Das alles in gedämpften Farben oder Sepiatönen. Schließlich will auch der Weltuntergang geschmackvoll inszeniert sein.

Mit ihrer düster raunenden Inszenierung passt die Musik von Godspeed, auch wenn sich bei ihnen kaum Neuerungen erkennen lassen, in die pessimistische Großwetterlage. Dass man dazu Stellung bezieht, in welcher Form auch immer, ist sicherlich keine falsche Strategie. Allerdings muss man sich fragen, ob der Versuch so ganz gelingt. Die Wut des brachialen Rock ist bei der Band stets durch die Melancholie ihrer fragmentarischen Symphonik gedämpft. Das mag man als Reflexion über das pure Rausschrabbeln des eigenen Unmuts verstehen, wie es andere Kollegen gern zu tun pflegen, zugleich bekommt die Musik dadurch aber auch etwas Behagliches. Bei aller Reduktion wird man den Eindruck nicht los, dass dies Wohlfühlmusik für die gemeinsame Untergangsstimmung ist.

Dem politischen Anliegen der Band wird so der Zahn gezogen. Im Verein mit der ins Geschmäcklerische tendierenden Bildsprache der Filme gerät das Konzept dann vollends in Schieflage. Und so bekommt auch die musikalische Wiederholung, die monumentale Stasis, die im stets Gleichen eine Veränderung sucht, auf die Dauer einen faden Beigeschmack. Denn bei Godspeed bewegt sich die Repetitionsspirale immer nur nach unten, wenn auch überaus gediegen.