Wo laufen sie denn?

18 Monate vor dem Start ist weiter unklar, wer die Fußball-EM 2008 im Free-TV überträgt. Aufteilung auf mehrere Sender immer wahrscheinlicher

VON MICHAEL SCHMIDT

Bei der Fußball-WM 2006 hatte ein ganz ungewöhnliches Szenario Premiere: Die Übertragung im Free-TV machten nicht mehr allein ARD und ZDF unter sich aus, auch RTL war mit von der Partie. Was im Sommer ganz bescheiden mit vier Parallelbegegnungen begann, droht jetzt bei den Europameisterschaften 2008 zur Regel zu werden: Schlimmstenfalls überträgt dann täglich ein anderer Kanal.

Erstmals in der Geschichte der Fußball-EM hat der Europäische Fußballverband Uefa die TV-Rechte nicht mehr pauschal an die European Broadcasting Union, einen Zusammenschluss überwiegend öffentlich-rechtlicher Sender verkauft. Sondern sie an die Agentur Sportfive vergeben. Diese soll die begehrte TV-Ware in jedem Land einzeln an den Meistbietenden verhökern – und der Uefa höheren Profit bescheren.

In Italien, Portugal, den Niederlanden und vielen weiteren Ländern hat das auch schon wunderbar geklappt. Doch Deutschland wird für die Uefa zum Problem. Nach Berichten in der Fachpresse fordert Sportfive rund 150 Millionen Euro für die deutschen Komplettrechte. Doch ARD und ZDF, die traditionellen EM-Übertrager, sollen lediglich 80 Millionen Euro geboten haben. Jetzt wird mit allen Sendern weiterverhandelt.

Nach den guten Erfahrungen mit den WM-Begegnungen bei RTL ist weiteres Mitmischen der Kölner im EM-Poker nicht unwahrscheinlich. Auch bei ProSiebenSat.1 zeigt man sich „an allen attraktiven Sportrechten interessiert – und da gehört natürlich die EM dazu“, sagt Konzernsprecherin Katja Pichler.

Komplett ins Pay-TV abwandern wird die Europameisterschaft dagegen kaum. Schließlich müssen laut Uefa-Reglement die Gruppenspiele der jeweiligen Nationalmannschaft, alle Viertel- und Halbfinals sowie das Endspiel frei empfangbar übertragen werden. „Gerade weil praktisch alle wichtigen Begegnungen im Free-TV laufen, ist der Zusatznutzen für Premiere und unsere Abonnenten überschaubar“, sagt daher Emanuel Hugl von Premiere: Trotzdem sei man aber„grundsätzlich an den Rechten interessiert“.

Der Bezahlsender könnte sich beispielsweise die Gruppenspiele ohne deutsche Beteiligung sichern. Schließlich gilt die EM bei vielen Fußballfans als das qualitativ anspruchvollere Turnier, da man in seinem Verlauf sehr viel schneller als bei der WM auf die hochkarätigen Mannschaften aus Italien, England, Frankreich oder Holland trifft. Dies erklärt auch den durchschnittlich höheren Preis pro Spiel: Für 48 WM-Spiele überwiesen ARD und ZDF 2006 noch rund 180 Millionen Euro, also 3,8 Millionen Euro pro Partie. Bei einer Pauschale von 150 Millionen Euro ergäbe sich für die 31 EM-Spiele nun der deutlich höhere Preis von knapp 4,8 Millionen Euro pro Match.

Beim ZDF bleibt man hart – und bekundet weiterhin das „Interesse, möglichst viele Spiele zu übertragen – aber nicht um jeden Preis“, so ZDF-Sprecher Walter Kehr. Allerdings wird bei den Sendern unverhohlen darauf hingewiesen, dass die Zeit davonläuft. Zwar ist laut Kehr eine „vernünftige Vorbereitung noch nicht in Gefahr“, aber man dürfe nicht vergessen, dass bei einem solchen Event der „logistische Aufwand enorm“ sei. Die Vorbereitungen zur WM 2006 hätten allein beim ZDF schließlich über zwei Jahre gedauert.

Interessant wird bei einem möglichen EM-Splitting natürlich auch die Frage, wer wo moderiert. Bei ARD und ZDF sind die Verträge mit Netzer und Delling, Kerner und Klopp längst unterschrieben. Doch könnte RTL noch auf die dann auch bei der ARD talkende Allzweckwaffe Günther Jauch zurückgreifen? Und was würde dem armen Fußballfan bei ProSieben und Sat.1 blühen? Etwa Pocher und Raab? Dabei wäre das tägliche Gezappe auf der Suche nach dem richtigen EM-Sender eigentlich doch schon Strafe genug.