Zerrissen und restlos in Intrigen verzettelt

Nach dem Tod des turkmenischen Staatschefs Nijasow schafft es die Opposition im Exil nicht, zusammenzuarbeiten. Ohnehin hat kaum einer Chancen, bei den Präsidentenwahlen anzutreten, weil potenziellen Kandidaten die Einreise verweigert wird

In Turkmenien herrscht akuter Mehlmangel, und das Brot ist knapp

VON MARCUS BENSMANN

Die Leiche des turkmenischen Präsidenten Saparmurad Nijasow war noch nicht kalt, da zerbrachen die Einheitsversprechen der turkmenischen Exilopposition. Der frühere Außenminister Turkmeniens, Awdi Kuliew, beschimpfte aus dem Osloer Exil den Exzentralbankchef des zentralasiatischen Staates Chudaiberdi Orasow, ein „Dieb“ zu sein.

Zuvor hatte sich Orasow mit Unterstützung des ehemaligen turkmenischen Botschafters in der Türkei, Nurmukhammed Hanamow – beide Mitglieder der Union für demokratische Kräfte – zum Präsidentschaftskandidaten erklärt. Beide waren nach der Nachricht vom Tode Nijasows in die Ukraine gereist, um mit einem Charterflugzeug, angeblich bezahlt von turkmenischen Geschäftsleuten, in die Heimat zu fliegen. Doch das Flugzeug rollte in Kiew noch nicht mal zur Startbahn. Die neue turkmenische Führung hatte den Luftraum gesperrt und alle Grenzübergänge dichtgemacht.

Kuliew, der die Vereinigte Demokratischen Opposition Turkmenien anführt, war erzürnt über Orasows Kandidatenanspruch. Seine Partei hat Nurberdi Nurmammedow als Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen vorgeschlagen. Der Turkmene ist der einzige Oppositionspolitiker, der noch im zentralasiatischen Staat am Kaspischen Meer sein Leben fristet. Bis zum Tode Nijasows stand er unter Hausarrest, zurzeit ist er verschwunden. Kuliew vermutet, dass der Kandidat seiner Bewegung wohl von turkmenischen Sicherheitskräften verhaftet wurde.

Aber auch Orasow hat wenig Chancen, an den für den 11. Februar festgesetzten Präsidentschaftswahlen teilzunehmen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass irgendeiner der zahlreichen Oppositionspolitiker das Land betreten darf, um gegen den designierten Nachfolger Nijasows anzutreten. Der turkmenische Gesundheitsminister, Kurbanguli Berdymuchamedow, Zahnarzt und Leibarzt Nijasows, wurde von Turkmenbaschi in aller Stille als Nachfolger aufgebaut. Seit 1997 befand er sich in der Nähe des Präsidenten, wurde nach dessen Tod Übergangspräsident und vom Volkskongress am 26. Dezember in Aschgabat für die Wahlen einstimmig als Kandidat nominiert. Berdymuchamedow erklärte, den Kurs Nijasows fortsetzen zu wollen. Doch der Oppositionspolitiker Kuliew zeigt sich überzeugt, dass es dem Nachfolger nicht gelingen wird, den bizarren Regierungsstil seines Vorgängers aufrechtzuerhalten.

Die turkmenische Opposition im Exil setzt sich ausnahmslos aus ehemaligen Ministern oder hohen Funktionären zusammen, die rechtzeitig aus dem Land flüchteten, bevor Nijasow sie ins Gefängnis werfen konnte. In den europäischen Staaten gründeten sie dann Exilbewegungen und verzettelten sich in Intrigen untereinander. Solange Turkmenbaschi lebte, bestand wenig Hoffnung auf die Rückkehr. Der Versuch eines anderen ehemaligen Außenministers Turkmeniens, Boris Schichmoradow, endete im November 2002 in einer Katastrophe. Über Usbekistan war der Oppositionelle nach Turkmenien heimlich eingereist. Nach einem gescheiterten Attentatsversuch auf Saparmurad Nijsaow wurde Schichmoradow in Aschgabat verhaftet. Seither ist er in einem der Gefangenenlager verschwunden.

Noch zwei Monate vor dem Tod Nijasows gestand Kuliew die Schwäche der zerrissenen Opposition ein und beklagte, dass der Westen keine Hilfe anböte. Keiner der Oppositionsführer verfügt über eine organisierte Anhängerschaft in Turkmenien. Die Sicherheitsdienste des paranoiden Präsidenten Nijasow hatten das Land in einen Kasernenhof verwandelt. Kuliew war sich noch am Todestag des Präsidenten sicher, dass die Oppositionspolitiker gemeinsam agieren würden.

Nun plant er, in Oslo eine Mehlkarawane nach Turkmenien zu organisieren. Denn in dem an Gas- und Ölvorkommen reichen Staat herrscht akuter Mehlmangel, und das Brot ist knapp. Kuliew erhofft sich, dass eine solche Hilfsmaßnahme die Rückkehr der Opposition nach Turkmenien ermöglichen könnte.

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