Burundi ohne UNO, aber mit Angst

Die UNO zieht aus Burundi ab, wo sie nach zwölf Jahren blutigem Bürgerkrieg freie Wahlen absicherte. Stabilität ist in dem bitterarmen Kleinstaat nicht eingekehrt

Weil der UN-Chef die Lage als „katastrophal“ bezeichnete, muss die UNO gehen

BUJUMBURA taz ■ In seiner Baracke am weißen Strand macht sich Penangnini Touré Sorgen. Jeden Tag winkt der UN-Sprecher in Burundi einer neuen Gruppe von Militärbeobachtern und Blauhelmsoldaten hinterher, die das kleine Land am Tanganjika-See verlassen. Bis Ende des Jahres soll der letzte UN-Soldat der einst 5.000 Mann starken Mission abgezogen sein. „Eigentlich hatten wir nicht vor, jetzt schon abzuziehen, aber die Regierung wollte uns möglichst schnell aus dem Land haben“, sagt Touré. „Aus militärischer Sicht müssten wir eigentlich bleiben.“

Im Sommer 2005 wurde der ehemalige Hutu-Rebellenführer Pierre Nkurunziza unter UN-Aufsicht zum Präsidenten gewählt, doch Burundis Frieden nach 12 Jahren Bürgerkrieg mit mehr als 300.000 Toten ist heute allenfalls wacklig. Anfang September stimmte auch die letzte der radikalen Hutu-Bewegungen, die FNL (Nationale Befreiungsfront), einem Friedensabkommen zu. Doch die etwa 3.000 FNL-Kämpfer haben ihre Waffen nicht abgegeben. Sie sehen, dass die Beliebtheit der Regierung sinkt, und hoffen auf die Chance, Nkurunziza und seine Partei CNDD (Nationalkomitee zur Verteidigung der Demokratie) doch noch ablösen zu können. Dass rund 1.000 angebliche FNL-Anhänger seit einem Jahr ohne Anklage im Gefängnis sitzen, tut ein Übriges, das Misstrauen zwischen den beiden einst rivalisierenden Hutu-Rebellengruppen zu zementieren.

Die UN-Truppen hätten das Mandat, der gewählten Regierung im Falle eines FNL-Angriffes beizustehen. Doch weil ihr Chef die politische Lage im Land als „katastrophal“ bezeichnet hat, muss die UNO nun gehen. Burundier, die solche Meinungen offen äußern, müssen mit Schlimmerem rechnen. Seit Jahresanfang, so berichten Menschenrechtler, haben Agenten des Geheimdienstes SNR (Nationaler Nachrichtendienst) mindestens 38 Menschen umgebracht und über 200 verschleppt und gefoltert. Im März weitete Präsident Nkurunziza die Befugnisse des Geheimdienstes per Gesetz fast unbegrenzt aus. Der Geheimdienstchef ist allein dem Präsidenten verantwortlich.

„Polizei und Sicherheitskräfte sind in zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verwickelt, und wir sehen nicht, dass irgendwelche davon verfolgt werden“, kritisiert der Chef der burundischen Menschenrechtsliga Iteka, Jean-Pierre Kisamare. Einer seiner Kollegen, der Korruptionsbekämpfer Gabriel Rufyiri, ist gerade erst nach vier Monaten Haft freigekommen. Seine Organisation hatte 400 Unregelmäßigkeiten bei der öffentlichen Auftragsvergabe aufgedeckt. Nach seinen Recherchen hat Burundi, in dem das jährliche Prokopfeinkommen bei 100 US-Dollar liegt, in den vergangenen sechs Jahren 133 Millionen Dollar durch Korruption verloren. Rufyiri sieht sich als Opfer des Regimes: „Ich bin nach meiner Festnahme nie einem Richter vorgeführt worden. Mir wurde nie ein Grund für meine Verhaftung genannt.“

Journalisten geht es kaum besser. Drei von ihnen stehen derzeit vor Gericht, weil sie über einen von der Regierung geplanten Angriff auf den Präsidenten und seinen Parteichef berichteten, der Oppositionellen in die Schuhe geschoben werden sollte. Serge Nibizi, Chefredakteur des Privatsenders RPA (Radio Publique Africaine), seine Kollegin Domitile Kiramvu, die auch für die Deutsche Welle arbeitet, und Matthias Manirazika, Direktor der Radiostation Isanganiro, wird der Verrat von Staatsgeheimnissen vorgeworfen. Proteste des deutschen Botschafters und seiner Kollegen sind folgenlos verhallt. Bei einem Treffen Anfang Dezember soll Burundis Justizministerin Clotilde Niragira die Forderungen der Diplomaten nach sofortiger Freilassung der Journalisten brüsk zurückgewiesen haben: „Sie fordern doch sonst immer, dass wir gegen Kriminelle vorgehen, und wenn wir es dann tun, sind Sie auch nicht zufrieden.“

Journalisten in Bujumbura berichten von Plänen der Regierung, alle privaten Rundfunksender zu schließen. Auch die prominentesten Oppositionsführer sitzen seit Ende Juli in Haft, angeblich weil sie einen Putsch gegen Nkurunziza geplant haben sollen.

Die meisten Burundier glauben, die Regierung wolle damit schlicht von anderen Problemen ablenken. Etwa den 400.000 Rückkehrern aus Flüchtlingslagern in Tansania, die in den kommenden Monaten erwartet werden. Burundi ist so groß wie Brandenburg, die meisten der sieben Millionen Einwohner sind Kleinbauern. „Der nächste Konflikt in Burundi verläuft nicht mehr zwischen Hutu und Tutsi“, befürchtet Klaas Jaap Breedveld von der Entwicklungsorganisation Oxfam-Novib. „Sondern zwischen denen, die Land haben, und denen, die keines haben.“

MARC ENGELHARDT