Gezielte Angriffe

Wegen des anhaltenden Raketenbeschusses will Israel wieder militante Palästinenser angreifen

JERUSALEM taz ■ Auf Wunsch des israelischen Verteidigungsminister Amir Peretz von der linksgerichteten Arbeitspartei wird die Armee ihre gezielten Angriffe auf militante Palästinenser wieder aufnehmen. Extremisten, die Kassam-Raketen abfeuerten, müssten nun wieder mit militärischen Operationen rechnen, hieß es gestern aus dem Büro von Ministerpräsident Ehud Olmert. „Gleichzeitig wird Israel weiterhin den Waffenstillstand einhalten.“

Die Regierung in Jerusalem versucht mit dieser Entscheidung, den gerade erst am vergangenen Wochenende wieder in Gang gekommenen Dialog mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nicht zu gefährden und gleichzeitig dem innenpolitischen Druck nachzugeben.

Seit Beginn der Waffenruhe vor rund einem Monat haben militante Palästinenser mehr als 60 Raketen aus dem Gaza-Streifen abgefeuert. Vorgestern wurden dabei zwei 14-jährige Jungen aus der Kleinstadt Sderot schwer verletzt. „Wir können nicht länger Zurückhaltung üben“, sagte Peretz dem Regierungschef gestern Morgen. Der Verteidigungsminister wird zum einen von der Armee massiv unter Druck gesetzt. Zum anderen lebt Peretz selbst in Sderot. Sein Leibwächter verlor bei einem Kassam-Angriff im November beide Beine.

Ein Sprecher der palästinensischen Regierungspartei Hamas nannte die Entscheidung die „Fortführung der Aggression“. Beide Seiten müssten die Waffenruhe respektieren. Saeb Erekat, ein Vertrauter von Abbas, warnte außerdem, dass auch gezielte Attacken schnell eine eigene Dynamik entfachen könnten. „Unsere Erfahrung hat uns gelehrt, dass Gewalt Gewalt hervorruft und Kugeln wiederum Kugeln hervorrufen.“

Juwal Diskin, der Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, sieht die Waffenruhe trotz der Verstöße als Erfolg an. Die Zahl der Raketen sei um 75 Prozent zurückgegangen, betont er.

Der Islamische Dschihad, der sich zu den meisten der Kassam-Angriffe bekannte, hatte der Feuerpause eigentlich zugestimmt. Die Verstöße werden mit israelischen Militäroperationen im Westjordanland, für das die Waffenruhe nicht gilt, gerechtfertigt. Die Extremistenorganisation hat außerdem wenig Interesse daran, dass der Dialog zwischen Olmert und Abbas fortgesetzt wird. Gleich nach der gestrigen Kabinettsentscheidung schossen Kämpfer des Dschihad erneut Raketen ab. Sie landeten in der Wüste. SILKE MERTINS