„Morde beeinflussen das Kaufverhalten“

Die Stimmung ist entscheidend für die Konsumenten, sagt der Wiener Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler

taz: Herr Professor Kirchler, wie ist Ihre Stimmung?

Erich Kirchler: Gut!

Braucht eine florierende Wirtschaft eine positive Grundstimmung?

In der Psychologie ist bekannt, dass auch wirtschaftliches Verhalten von Erwartungen abhängt. Weltweit wird ein Konsumenten-Stimmungs-Index angewandt, um Prognosen über wirtschaftliche Entwicklungen treffen zu können. Prognosen, die also nicht nur auf wirtschaftlichen Fakten basieren, sondern eben auch auf psychologischen Erwartungen.

Wie wichtig sind für eine anspringende Konjunktur positive Vorhersagen?

Allein mit Stimmungen und Erwartungen können Sie keinen wirtschaftlichen Umschwung herbeiführen. Aber ganz sicherlich können diese dazu beitragen, dass Konsumenten ausgabenfreudiger werden. Eine hoffnungsvolle Aufbruchsstimmung führt auch dazu, dass man mehr riskiert, was für die Wirtschaft laut empirischer Studien einen attraktiven Impuls darstellt.

Könnten die Medien sich zusammen tun und eine bessere Konjunktur in einem Komplott herbeischreiben?

Es wäre eine gewagte Spekulation, hier zuzustimmen. Sie brauchen natürlich immer Fakten. Aber auch was Medien berichten, erzeugt Realität. Sie können davon ausgehen, dass die Berichterstattung die Stimmung beeinflusst und nicht nur wiedergibt. Wenn beispielsweise Morde auf der Titelseite stehen, hat dieser Bericht auf das Kaufverhalten einen nachhaltigen Einfluss.

Seit Mitte des vergangenen Jahres wurden die Konjunkturprognosen immer weiter nach oben korrigiert. Ist eine Aufwärtsspirale in Gang gekommen?

Das ist eine begründete Hoffnung. Es ist zu erwarten, dass eine positive Stimmung Basis für noch mehr positive Stimmung ist. Man wird sozusagen ausgabenfreudiger, weil die Stimmung dazu verführt.

Es heißt, die Deutschen seien ein miesepetriges Volk. Kann das ein Grund dafür sein, dass es so lange gedauert hat, bis die positive Weltwirtschaftslage sich hier niedergeschlagen hat?

Ich glaube nicht, dass ein Volk prinzipiell zu einer optimistischen oder pessimistischen Prognose neigt. Allerdings dauert es sehr lange, eine Stimmungsspirale, die nach unten zeigt, wieder zu drehen. Deutschland hat den Vorteil, dass bestimmte Ausgaben getätigt werden müssen. Es ist lange genug gespart worden. Jetzt wird zum Beispiel die neue Waschmaschine einfach notwendig.

Brauchen wir für die Volkswirtschaft Optimismus-Lobbyisten, damit die Stimmung immer gut bleibt?

Ich denke, das geht zu weit. Da werden wir allzu schnell zu jenen, die manipuliert sind von anderen, die uns nicht nur bestimmte Inhalte nahe legen, sondern auch noch mit der Chemie der Emotion werben. Das würde doch zu sehr an der individuellen Freiheit rütteln.

INTERVIEW: BENJAMIN WASSEN