Mit Phantasie nach oben

Die Konjunktur hat in 2006 auch in NRW angezogen. Im kommenden Jahr soll es so weiter gehen. Wahrscheinlich bekommen sogar die Arbeitnehmer ein paar Krümel vom Kuchen ab

VON BENJAMIN WASSEN

Konjunkturaufschwung, steigende Binnennachfrage und wieder mal Exportweltmeister – der deutschen Wirtschaft ging es in 2006 so gut wie schon lange nicht mehr.

Auch in NRW zeigen sich die Unternehmer zufrieden. „Es liegt ein gutes Jahr hinter uns“, sagt Gerd Pieper, Präsident der Vereinigung der nordrhein-westfälischen Industrie- und Handelskammern. Selbst der Einzelhandel habe „aufatmen“ können. Allerdings sei noch unklar, in wie weit die Mehrwertsteuererhöhung „einen Bruch in der Konjunkturbelebung bescheren wird“.

Michael Grömling vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln ist da zuversichtlich: „Die Steuererhöhung wird nur eine kleine Delle in der Konjunkturkurve verursachen.“ Die Wirtschaft habe genügend Eigendynamik entwickelt. In 2006 sei es gelungen, die Erfolge aus dem Exportgeschäft auch ins Inland zu übertragen. „Es wird endlich wieder investiert“, so Grömling. Er geht für 2007 von einem Wirtschaftswachstum von mindestens 1,5 Prozent aus – mit „Phantasien nach oben“.

Nicht nur die Wirtschaft ist in 2006 gewachsen, es gab auch mehr Geld für die Arbeitnehmer. „Wir freuen uns, dass es bei den Tarifabschlüssen gelungen ist, die Reallöhne leicht anzuheben“, sagt Guntram Schneider, Vorsitzender des DGB-Bezirks Nordrhein-Westfalen. Für das kommende Jahr wünscht er sich aber weitere Steigerungen. Dabei seien einmalige Bonuszahlungen nicht der richtige Weg. „Das Tarifgefüge insgesamt muss ansteigen.“

Auch im NRW-Arbeitsministerium wird diese Forderung unterstützt. „Beschäftigte müssen am Erwirtschafteten und an steigenden Gewinnen teilhaben“, sagt Ministeriumssprecher Ulrich Lensing. Gerade dann, wenn sie in „schlechten Zeiten Lohnzurückhaltung“ geübt hätten. Dabei sei aber wichtig, die „Spielräume nicht pauschal“ zu nutzen, sondern die jeweilige „betriebliche und regionale“ Situation zu betrachten. Schließlich gelte es den Aufschwung nicht zu drosseln, damit wieder mehr Menschen in NRW in Arbeit kämen.

Bereits im zweiten Halbjahr 2006 hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannt. So waren etwa im November 112.000 Menschen weniger arbeitslos als im Vorjahresmonat. Erstmals seit langem sind auch wieder sozialversicherungspflichtige Jobs entstanden – knapp 50.000. Diese Tendenz wird sich nach Meinung der Experten auch in 2007 fortsetzen.

„Allerdings bleibt das Problem mit den Langzeitarbeitslosen dramatisch“, sagt Werner Marquis von der NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit. Fast die Hälfte der Jobsuchenden in NRW gilt als langzeitarbeitslos. „Ältere, Menschen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung oder geringer Qualifikation“ blieben auch bei einer Konjunkturbelebung schwer vermittelbar, so Marquis.

„Wenn die Regierung auch bei dieser Gruppe von einer Entlastung spricht, dann täuscht sie die Menschen“, sagt Rainer Schmeltzer, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der NRW-SPD. „Wir fordern die Regierung auf, sich mit uns zusammen für einen dritten Arbeitsmarkt einzusetzen“, so Schmeltzer. Dabei gehe es um subventionierte Jobs, für die es in der freien Wirtschaft keinen Markt gibt. Ein Beispiel wären zusätzliche Betreuer in Altenheimen. So könnte gleich zwei benachteiligten Gruppen geholfen werden.