Windenergie im Schrank

Strom aus Wind ist ökologisch – aber der Wind bläst unstetig. Helfen könnten Wasserstoff-Systeme, die die Energie zwischenspeichern. Oldenburger Forscher starteten den Testbetrieb. „HyWindBalance“ haben sie ihr Projekt getauft

aus Oldenburg Armin Simon

Es gibt Vorhersagen mit nur beschränktem Nutzen. Die Wettervorhersage etwa. Man weiß, dass es regnen wird – und wird trotzdem nass. Energieversorgungsunternehmen haben ein ähnliches Problem. Sie wissen zum Beispiel ziemlich genau, dass mittags mehr Strom verbraucht wird als nachts und sonntags weniger als werktags. Und müssen, wenn alle ihren Elektroherd anschmeißen, doch teuren Strom an der Strombörse zukaufen.

Windkraft verschärft das Problem. Zwar wissen Metereologen relativ genau, wo und wann es winden wird und können also vorhersagen, wie viel Windstrom es geben wird. Beeinflussen aber können sie es nicht.

Helfen könnte ein Speicher. Einer, der in Schwachlastzeiten Windstrom bunkert, damit man ihn zu Hochpreiszeiten wieder verkaufen kann. Oder der die Flaute überbrücken hilft. Der aus unstetem Wind stetig und flexibel verfügbaren Strom macht.

Ein Testmodell eines solchen Speichers steht seit kurzem in einem zugigen Außenraum des Energieforschungslabors der Universität Oldenburg: zwei Schränke mit blinkenden Geräten und zwei Paletten Gasflaschen, alles verbunden durch eine Vielzahl von Schläuchen und Kabeln. „HyWindBalance“ haben die Forscher ihr Projekt getauft, das „Hy“ steht für „Hydrogen“ – Wasserstoff. Im rechten Schrank wird er erzeugt, in einem Elektrolyseur. Strom fließt durch Wasser, das spaltet sich auf, der Sauerstoff darf an die Luft, der Wasserstoff wird abgefangen. Wie früher im Chemieunterricht, nur alles ein bisschen eleganter. Die Rückumwandlung erfolgt in der Brennstoffzelle, im linken Schrank: Der Wasserstoff verbrennt, heraus kommt Wasser – und Strom.

Finanziert wird das 1,5 Millionen Euro teure Projekt vom Land Niedersachsen, der EU und dem örtlichen Energieversorger EWE AG. Neben praktischen Erfahrungen mit den Tücken der technischen Armaturen geht es den ForscherInnen vor allem darum, eine möglichst optimale Steuerung unter verschiedenen meteorologischen, technischen und wirtschaftlichen Randbedingungen zu entwickeln. Der erwartete massive Ausbau von Windkraftanlagen, insbesondere offshore, solle möglichst nicht zu einem erhöhten Bedarf an teurer Regelenergie führen, sagt EWE-Vorstand Jörg Buddenberg. Mit Regeleneregie soll die Schwankung im Stromangebot und -verbrauch ausgeglichen werden.

Bis Windstrom ausreichend gespeichert werden kann, ist es noch ein weiter Weg. Denn die Oldenburger Anlage ist mit einer Leistung von 5.000 Watt ein Modell im Miniformat. Um den Strom in Wasserstoff zu verwandeln, den ein einziges herkömmliches Zwei-Megawatt-Windrad bei Volllast liefert, wären 400 der in Oldenburg aufgebauten Elektrolyseure und 1.700 Brennstoffzellen nötig – und die 24 Gasflaschen, die ordentlich gestapelt an der Rückwand des Raumes stehen, binnen sechs Minuten mit 35 Kubikmeter Wasserstoff gefüllt. Ende 2007 wolle man prüfen, ob sich eine 300-Kilowatt-Anlage realisieren lasse, sagt Projektleiter Hans-Peter Waldl. Mit einer großtechnischen Anwendung der Technik sei erst langfristig zu rechnen, „in etwa zehn Jahren“.

Deutlich soll auch in Zukunft der Wirkungsgrad des Systems steigen. Noch liegt er bei schlappen 33 Prozent – zwei Drittel des Windstroms machen sich beim doppelten Konvertieren als Wärme aus dem Staub. Künftig soll es nur mehr gut die Hälfte sein.

Buddenberg rechnet übrigens selbst nicht damit, dass das Wasserstoff-Speicher-Kraftwerk, so es denn in einigen Jahren tatsächlich zur Verfügung steht, als erstes in Norddeutschland zum Einsatz kommt. Verglichen mit Ländern wie Irland und Kanada ist das hiesige Stromnetz nämlich relativ dicht und leistungsstark – was teure Zwischenspeicher eher unrentabel macht.