zwischen den rillen
: Ain’t it funky

Die Geburt des Breakbeat, Politik, seine Band und der Feminismus: Ein Rundgang durch das Werk von James Brown in fünf Platten

„Funky Drummer Part 1 + 2“ 1969

Es ist beileibe nicht das beste Stück, das James Brown herausgebracht hat, wenn man sein Werk von heute aus betrachtet, aber das bei weitem einflussreichste: denn „Funky Drummer“ steht am Beginn von Hiphop. Nicht 1969 freilich, als Brown und seine Band es einspielen, da ist es nichts weiter als einer der zahllosen Instrumentaltracks, den er herausbringt. Eine doppelseitig bespielte Single mit einem Jazzfunkstück. Brown ruft ab und zu etwas dazwischen, Maceo Parker spielt eines seiner Saxofonsoli, und Brown selbst daddelt erratisch auf der Orgel herum. Das Entscheidende passiert am Schluss: James Brown befiehlt der Band aufzuhören, und nur den Drummer spielen zu lassen. Und acht Takte lang hört man nichts als Clyde Stubblefield. Bummbummbummtschakakakakabummbumm. Breaks dieser Art gibt es oft im Funk, aber nie so rein, klar und reduziert. Dies sind die acht Takte, wegen denen sich ein paar Jahre später Hiphop-DJs immer zwei Exemplare dieser Single kaufen, um sie wieder und wieder hintereinander zu spielen. Es ist einer der ersten der sogenannten Breakbeats.

„I Don’t Want Nobody To Give Me Nothing, Open Up The Door I Get I Myself“ 1969, „Get Up, Get Into It, Get Involved“ 1970

Ja, James Brown war ein politischer Künstler. Objektiv, weil er als solcher gesehen wurde. Subjektiv, weil er sich als solcher verstand. Diese beiden Singles, entstanden im Abstand weniger Monate, umreißen, wie James Brown die Forderungen der Bürgerrechtsbewegung verstand: „I Don’t Want Nobody To Give Me Nothing, Open Up The Door I Get I Myself“ heißt: wir wollen keine Almosen, wir wollen „equal opportunities“, „schools“ und „better books“. James Brown geht nicht darum, das System zu stürzen, er möchte fairen Zugang. Er möchte einen Kapitalismus, der allen offensteht. Dass dies auch als Argument gegen Sozialhilfe funktioniert, dürfte ihn nicht gestört haben. „Get Up, Get Into It, Get Involved“ umreißt den Community-Rahmen: Die Leute sollen ihren Hintern hochkriegen, und sich um ihren Kram kümmern (es ist natürlich auch eine Aufforderung an das Konzertpublikum auf die Tanzfläche zu kommen, das Stück hat auch eins dieser sagenhaften Breaks, die später endlos gesampelt werden sollten). Die Anspielung auf Timothy Learys „Turn on, tune in, drop out“ dürfte Absicht gewesen sein: mit dieser Art von Politik konnte Brown nichts anfangen, da war ihm ein Aufsteiger wie Richard Nixon lieber.

„The Payback“ 1973

„The Payback“ ist das letzte große James-Brown-Album – großartig ist es aus mehreren Gründen. Da ist zum einen das Titelstück. Einer der besten Tracks, die Brown je aufgenommen hat, eine 7:39 Minuten lange Rachefantasie, die sich nicht nur schon so anhört wie Gangsta-Hiphop, in ihrer Idee, dass es eine ganze Reihe von Leuten gebe, die ihre Schulden beim Godfather zahlen sollen, ist es auch erstaunlich hellsichtig – genug Künstler sollten sich 15 Jahre später goldene Zähne mit seiner Musik verdienen. Zum anderen ist da die Band. 1969 hatten sie gekündigt, weil sie die Arbeitsbedingungen nicht mehr ertrugen, James Brown engagierte eine neue Gruppe um die LSD-schluckenden Nachwuchshipster Bootsy und Catfish Collins, mit denen er zwar einige seiner besten Stücke einspielte („Sex Machine“ etwa), die aber noch schwieriger zu disziplinieren waren. Also tat er sich wieder mit seiner alten Band zusammen. Für „The Payback“ sind sie fast alle dabei: die Saxofonisten Maceo Parker, Pee Wee Nolan und Clair Pickney, der Posaunist Fred Wesley, der Gitarrist Jimmy Nolan. Perfekter sollte diese Funkmaschine nie laufen.

Lyn Collins „Think (about it)“ 1972

Viel ist in den letzten Tagen die Rede von dem frauenschlagenden Ungeheuer James Brown die Rede gewesen. Das wird alles seine Richtigkeit haben. Über all dem sollte man aber nicht vergessen, dass eine der ersten feministischen Hymnen im schwarzen Pop eine James-Brown-Produktion war: das fantastische „Think (about it)“ von Lyn Collins (auf dem Album gibt es auch einen Track namens „Women’s Lib“, geschrieben von Herrn Brown höchstpersönlich!). Natürlich ist dies eine Art Hot-Pants-Feminismus, wenn Collins ruft: „We Gotta Use What We Got To Get What We Want!“ Glücklicherweise lässt das durch die gender studies geschulte neue Jahrtausend auch andere Lesarten zu. TOBIAS RAPP