Eisbär unter US-Schutz

Minister will die Raubtiere auf Liste der bedrohten Arten setzen, aber Klimawandel als Grund nicht anerkennen

WASHINGTON taz ■ Das US-Innenministerium will Eisbären auf die Liste der bedrohten Tierarten setzen. Die wegen der globalen Erwärmung fortschreitende Eisschmelze im Polarmeer gefährde ihren Lebensraum, sagte Innenminister Dirk Kempthorne am Mittwoch in Washington.

Wissenschaftler befürchten, die Eisbärpopulation könnte in den kommenden Jahrzehnten drastisch schwinden. Die größte Bedrohung für sie sei das Abschmelzen der Eisdecke und die damit einhergehende Beeinträchtigung ihrer Jagdmöglichkeiten, erklärte Kempthorne. Umweltschützer und Wissenschaftler halten dies für direkte Folgen des Klimawandels, von dem zunehmend die Polarregionen betroffen sind. Der Minister betonte jedoch, dass es nicht in der Verantwortung seines Ressorts läge, eine Haltung zur globalen Erwärmung oder einer US- Klimapolitik zu formulieren.

Kassie Siegel, ein Anwalt einer der klagenden Umweltorganisationen, sagte: „Mir ist schleierhaft, wie diese Administration ihren notwendigen Schritt begründen will, ohne die wissenschaftlichen Daten zur globalen Erwärmung anzuerkennen. Die Hauptbedrohung für Eisbären ist die globale Erwärmung.“ Bislang bestreitet die US-Regierung einen Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung und menschlichem Tun.

Der Vorstoß zu einem Eintrag in die Liste geschieht, nachdem drei Umweltorganisationen, darunter Greenpeace U.S.A., das Innenministerium im Jahr 2005 verklagt hatten. Der Innenminister hatte bis vergangenen Mittwoch Zeit, darauf zu reagieren. Eine endgültige Entscheidung darüber, ob die Eisbären auf die Liste der bedrohten Tierarten gesetzt werden, muss nach weiteren Studien in einem Jahr fallen. Kempthorne deutete allerdings an, dass die USA zum Schutz der Tiere ihre Öl- und Erdgasprojekte vor allem vor der Küste von Alaska nicht einschränken werden. Es sei klar, dass diese Projekte „keine Bedrohung für die Eisbären darstellen“, sagte der Minister.

Wissenschaftler schätzen die Zahl der Eisbären auf 20.000 bis 25.000. Ein Viertel davon lebt vorwiegend in Alaska. Gefährdet sind die Tiere nach Angaben von Experten durch das Abschmelzen des Packeises, Umweltverschmutzung, Jagd und zunehmenden Tourismus. Die World Conservation Union hat Eisbären auf eine Liste von mehr als 16.000 gefährdeten Tierarten gesetzt und schätzt, dass ihre Zahl in den kommenden 45 Jahren um ein Drittel zurückgehen wird. ADRIENNE WOLTERSDORF