Merkel droht: Neues Jahr, neue Reformen

Kanzlerin stellt sich in Gegensatz zu SPD-Chef Beck. Doch konkrete Konflikte gibt es vorerst nur bei der Gesundheit

BERLIN taz ■ Die Kanzlerin gibt sich kurz vor Silvester ehrgeizig und tatendurstig. „Um im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können, müssen wir Strukturreformen vorantreiben“, schreibt Angela Merkel (CDU) in einem Beitrag für die heutige Ausgabe des Handelsblatts. „Die Arbeit an den notwendigen Reformprojekten in Deutschland wird daher im nächsten Jahr unvermindert weitergehen.“

Damit setzt die Regierungschefin und CDU-Vorsitzende in der aktuellen Debatte um die Aufgaben der großen Koalition einen anderen Akzent als SPD-Chef Kurt Beck, der gerade festgestellt hatte, mit den bisher bereits vereinbarten Reformen sei „die Grenze der Zumutbarkeit erreicht“. Während der pfälzische Sozialdemokrat mahnte, die Regierung dürfe die Menschen nicht überfordern („Immer mal langsam mit de Leut!“), erklärte Merkel: „Trotz der erzielten Erfolge liegt der größte Teil der Wegstrecke noch vor uns.“

Was die Vorsätze für das neue Jahr betrifft, unterscheiden sich die beiden Parteivorsitzenden deutlich – in der Rhetorik. Beck versucht die reformmüden Bürger zu beruhigen, vor allem die Arbeitnehmer. Merkel wiederum wendet sich der Wirtschaft zu, die weitere Reformen fordert. Einen handfesten Koalitionskrach möchte aber niemand vom Zaun brechen. So wurde aus Merkels Umfeld gestern betont, die Äußerungen der Kanzlerin seien keineswegs als böse Replik auf Beck zu verstehen. Merkel habe ihren Beitrag für das Handelsblatt bereits verfasst, als Becks Äußerungen noch gar nicht in der Welt gewesen seien.

Es handelt sich also eher um vorweg genommene Neujahrsansprachen der Parteichefs an die jeweils eigene Klientel. Konkrete Konfliktpunkte ergeben sich daraus nicht. Denn trotz der rhetorischen Bremsmanöver, die für so viel Aufsehen sorgten, bekannte sich auch Beck ausdrücklich zu den bereits geplanten Reformen, die im kommenden Jahr beschlossen werden sollen. „Dazu gehören auch die Arbeitsmarktreformen“, sagte Beck. „Da wird noch manches hinzugefügt werden müssen.“

Akut gefährdet scheint dagegen die Verabschiedung der Gesundheitsreform. Eigentlich sollte sie im Januar vom Bundestag beschlossen werden. Nun aber drohte der Chef der CSU-Abgeordneten, Peter Ramsauer, via Bild-Zeitung mit einem Nein: „In der jetzt vorliegenden Form können wir als CSU-Landesgruppe dem Gesetz nicht zustimmen.“ Wie Ramsauers Sprecherin gestern der taz sagte, stört sich die CSU an den Regeln für den neuen Basistarif der privaten Krankenversicherung. Außerdem dürfe es „keine höheren Belastungen für leistungsstarke Länder“ wie Bayern geben. Die CSU werde die Gesundheitsreform „nicht durchwinken, solange dazu keine verlässlichen Zahlen vorliegen“. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) will dazu Anfang Januar ein neues Gutachten vorlegen. LUKAS WALLRAFF