Bayerns Kronprinz setzt sich in Szene

Die Aufmerksamkeit für die CSU nutzt der bayerische CSU-Fraktionschef Herrmann geschickt für seine Profilierung

MÜNCHEN taz ■ Eigentlich waren die Journalisten gestern ins Weiße Bräuhaus gekommen, um etwas über Gabriele Pauli, die streitbare CSU-Landrätin aus Fürth zu hören. Aber schon bevor die Weißwürste serviert waren, hatte der Gastgeber, CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann, sich vor allem als künftiger bayerischer Regierungschef positioniert – und dazu noch eine entspannte Analyse der CSU hingelegt, die seit eineinhalb Wochen von der Spitzelaffäre um Gabriele Pauli erschüttert wird.

Joachim Herrmann? Kennt man kaum. Chef der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag ist der Einsneunzig-Mann und bislang vor allem durch einen sanften Politikstil aufgefallen. Er sei mehr „Moderator“ als „Anführer“, gestand Herrmann kürzlich. Obwohl immer wieder als Stoiber-Kronprinz gehandelt, trauten die meisten politischen Beobachter dem oft positionslosen Fraktionschef bislang die Nachfolge nicht so recht zu.

Ohnehin gab im letzten Jahrzehnt eigentlich immer Stoiber den politischen Takt in Bayern vor, das Parlament samt absoluter CSU-Mehrheit war bislang vor allem Ausführungsorgan. Aber bereits die Weihnachtstage hatte der Landespolitiker genutzt, um mit dem Thema Gesundheitsreform bundesweit ins Gespräch zu kommen. Gestern dann ein weiterer Schritt in Sachen Profilbildung: Aus dem drögen Thema „Bilanz und Ausblick“ wurde eine Joachim-Herrmann-Show vor den Fernsehteams der bundesweiten TV-Sender, die eigentlich eher wegen Pauli gekommen waren.

„Langfristig denken, aber schnell entscheiden“, gab Herrmann gestern die neue Geschwindigkeit vor, ganz wie ein Regierungschef. Es gebe Handlungsbedarf bei Kinderkrippen, dreimal so viele sollen es werden in sechs Jahren. Und dann bewegte Herrmann den Fokus weg vom üblichen Stoiber-Prachtstück München hin in die Fläche. „Auch in kleinen Orten brauchen wir eine Betreuung für 2-Jährige!“ Statt der bisher üblichen CSU-Dogmatik „Frau an den Herd“ diktierte Herrmann: „Es ist durchaus willkommen, wenn sich im ersten Jahr ein Elternteil kümmert.“ Daran schließe sich notwendigerweise der Ausbau von Ganztagsschulen an, eine Reihe von Anträgen seien hier „noch nicht abgearbeitet“. Und überhaupt brauche es 2007 endlich einmal einen verlässlichen Zeitplan.

Dazu packte Herrmann noch eine gute Dosis „Zusammenarbeit zwischen Schulen und Jugendverbänden“, fertig war ein liberales familienpolitisches Paket. Das derzeit aber nicht wirklich mehrheitsfähig ist, wie auch Herrmann eingesteht: „Da muss sich einiges bewegen in der CSU“, forderte er. Um etwas voranzubringen, wolle seine Fraktion mit Kommunen und der Parteibasis über diese Dinge diskutieren. Kein Wort dagegen über Stoibers Regierung.

Allerdings stellte Herrmann auch klar, dass zumindest bei der Landtagswahl 2008 nur Edmund Stoiber als Kandidat bereitsteht. Insofern sei auch die Debatte um eine Mitgliederbefragung, wie von der Stoiberkritikerin Gabriele Pauli vorgeschlagen, sinnlos. Deren Anti-Stoiber-Kampagne suchte Herrmann freundlich auszubremsen. Pauli sei „eine sehr gute Landrätin“. „65 Prozent in einem Landkreis kriegt man schließlich nicht, weil den Wählern die Röcke gefallen.“ Damit sei das Thema Spitzelaffäre aber auch „abgehakt“. Es gebe kein Spitzelsystem, seine Kritik an Stoiber habe er geäußert. 2007 gehe es um „Performance“.

MAX HÄGLER