Mental noch im Straflager

Psychologisch befinde ich mich immer noch im Straflager“, sagte Ales Beljazki am vergangenen Samstag dem weißrussischen Internetportal Chartija 97 in einem ersten Interview. Wenige Stunden zuvor war der weißrussische Menschenrechtsaktivist und Vizepräsident der Internationalen Föderation für Menschenrechte (FIDH) nach fast dreijähriger Haft vorzeitig freigekommen. Am selben Tag hatte der autokratische Staatspräsident Alexander Lukaschenko, der bereits seit 20 Jahren an der Macht ist, ein Amnestiegesetz unterschrieben.

Er wolle seine Tätigkeit auf jeden Fall fortsetzen, sagte der 51-jährige Beljazki, der in der Haft unter starken gesundheitlichen Problemen gelitten hatte. Politisch aktiv ist der promovierte Literaturwissenschaftler bereits seit den 80er Jahren. Da war er unter anderem Mitorganisator einer Gedenkveranstaltung in Kurapaty, wo der sowjetische Geheimdienst NKWD in der Zeit zwischen 1937 und 1941 Zehntausende Menschen hatte ermorden lassen. 1996 gründete Beljazki das Menschenrechtszentrum Vjasna (Frühling), das Opfer staatlicher Willkür finanziell und juristisch unterstützt.

2003 wurde der Organisation die staatliche Zulassung entzogen. Sie suchte, wie andere weißrussische Nichtregierungsorganisationen auch, Zuflucht in Polen und Litauen. Dortige Konten auf seinen Namen wurden dem international mehrfach ausgezeichneten Menschenrechtler, der 2012 für den Friedensnobelpreis nominiert war, zum Verhängnis. Am 4. August 2011 wurde Beljazki unter dem Vorwurf der Steuerhinterziehung festgenommen und am 24. Oktober desselben Jahres in einem eindeutig politisch motivierten Verfahren zu viereinhalb Jahren Straflager verurteilt.

Seine Freilassung verdanke er dem Druck, der auf die weißrussische Führung ausgeübt worden sei – sowohl von innen als auch von außen, sagte Beljazki am Samstag. Und fügte hinzu, dass sich an dem Charakter des Regimes nichts geändert habe.

Vielleicht hat der verheiratete Vater eines Sohnes jetzt, trotz seines unermüdlichen Engagements für Menschenrechte, auch ein wenig Zeit, seine Hobbys zu pflegen. Dazu gehören Pilze sammeln und Gartenarbeit.

BARBARA OERTEL