Reeder fordern Soldaten an Bord

PIRATEN Auf einem Gipfeltreffen der Regierung soll die maritime Wirtschaft endlich Flagge zeigen

HAMBURG taz | Zum Schutz ihrer Schiffe möchten die deutschen Reedereien Bundeswehrsoldaten an Bord stationieren. Dabei fahren nur noch wenige ihrer mehr als 3.000 Schiffe unter deutscher Flagge. Am heutigen Montag will die Bundesregierung auf ihrem Piraten-Gipfel eine Lösung finden.

Kritik an dem Trend zur Billigflagge kommt sogar aus der eigenen Branche. Der Chef der zum Oetker-Konzern gehörenden Großreederei Hamburg Süd, Ottmar Gast, kritisiert seine Branche wegen mangelnder Flaggentreue. Bis zum Jahreswechsel sollten nach einer Zusage der Reedereien an die Bundesregierung 600 Handelsschiffe unter deutscher Flagge fahren. Derzeit seien es aber weniger als 450. „Rein rechnerisch müsste jede Reederei nur 20 Prozent ihrer Flotte unter Schwarz-Rot-Gold stellen“, sagte Gast in Hamburg. „Es gibt aber leider diverse Unternehmen, die das nicht tun.“

Die fahnenflüchtige Konkurrenz verteidigt sich. 600 seien nur unter Vorbehalt zugesagt worden, und die Weltwirtschaftskrise habe die Branche dann besonders hart getroffen. Der Reederverband VDR dreht den Spieß um: „Es ist zu kompliziert und zu teuer, die deutsche Flagge zu führen.“ Die ganze deutsche Flaggenstaatsverwaltung müsse neu aufgestellt werden.

Die Nationalflagge seiner Schiffe kann jeder Reeder traditionell frei wählen, und der Wechsel zu einer Billigflagge verläuft recht unbürokratisch. So erzielt etwa der westafrikanische Staat Liberia einen Großteil seiner bescheidenen Einnahmen als preiswerter Flaggenstaat – das Registerbüro sitzt für jeden Reeder leicht erreichbar in New York. Durch das Ausflaggen können deutsche Schiffseigner zwischen 80.000 und 450.000 Euro pro Jahr und Schiff an Gebühren, Heuer und Sozialabgaben einsparen. So stammen die Offiziere auf einem typischen „deutschen“ Schiff aus Osteuropa und die Besatzung aus Asien. Für diese Seeleute ist eine nach deutschen Maßstäben minimale Heuer allerdings attraktiv.

Die Zurückhaltung vieler Reeder verärgert auch Politiker in Berlin. Eine Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion bestätigte im Januar den Trend zur Fahnenflucht. Im Juni 2000 hatte die rot-grüne Regierung Gerhard Schröders die erste Maritime Konferenz veranstaltet. Seither wird die Schifffahrtsbranche von allen Regierungen als strategische Industrie in vielfältiger Form unterstützt, von der Forschungsförderung über Abschläge bei den Sozialabgaben bis zur fast vollständigen Steuerbefreiung der Gewinne durch die sogenannte Tonnagesteuer.

Doch der Staat fordert seinen Preis. Vor allem sollten möglichst viele Schiffe unter deutscher Flagge und dadurch mit möglichst vielen deutschen Seeleuten fahren. Auf Schiffen unter Schwarz-Rot-Gold müssen fünf deutsche oder EU-Seeleute (von etwa 25) fahren. So sollen Wissen gehalten und Standorte an Land gesichert werden.

HERMANNUS PFEIFFER