portrait
: Dinosaurier der deutschen Industrie

Er meidet Talkshows. Auch Interviews gibt er selten. Harry Roels mag zu viel Öffentlichkeit nicht, er provoziert nicht gern. Deshalb wird es dem Chef des Essener Energiekonzerns RWE vermutlich gar nicht passen, dass er kurz vor dem Jahreswechsel unfreiwillig in die Schlagzeilen gerät – und das auch noch als Oberschurke der deutschen Industrie, als „Dinosaurier des Jahres 2006“.

Mit genau diesem „peinlichsten deutschen Umweltpreis“ (Eigenwerbung) hat der deutsche Naturschutzbund (Nabu) Roels gestern ausgezeichnet. Der 59-jährige Niederländer habe mit seinem Antrag zur Laufzeitverlängerung für den derzeit wegen falsch montierter Dübel stillgelegten hessischen Atomreaktor Biblis den Atomkonsens zwischen Politik und Wirtschaft aufgekündigt, begründete Nabu-Chef Olaf Tschimpke die Wahl. Erschwerend kommt für die Umweltschützer noch hinzu, dass RWE mit seinen Braunkohlekraftwerken so viel Kohlendioxid ausstößt, dass sich der Konzern – juristisch legitimiert – von Greenpeace als „Klimakiller“ bezeichnen lassen muss.

Der Ruf eines Managerfossils haftet Roels bisher eigentlich nicht an. Zwar startete der gelernte Chemiker seine Karriere beim Erdölkonzern Shell, wo er Mitte der 90er-Jahre unter anderem das Lateinamerika- und Afrika-Geschäft koordinierte. Dennoch galt er als Modernisierer, als er im Mai 2003 den Vorstandsvorsitz der RWE übernahm.

Erstmals stand mit dem Vater zweier Kinder ein Manager an der Spitze des vielfach mit der Politik verwobenen Traditionsunternehmens, der nicht aus dem Dunstkreis der rheinisch-westfälischen Wirtschaftselite stammte. Mit einem neuen Ehrenkodex für Beraterverträge versuchte Roels, das Image des Filzokratenkonzerns loszuwerden. „Mittlerweile weiß jeder, dass er fliegt, wenn ihm nur ein leichter Duft von Korruption nachhängt“, heißt es aus dem Unternehmen. Dazu passt, dass Roels Smalltalk-Runden meist fern bleibt.

Mit einer konservativen Unternehmenspolitik ist es Roels gelungen, den Aktienkurs von RWE seit 2003 zu verfünffachen. Auf spektakuläre Übernahmen verzichtete er, kostspielige Beteiligungen stieß er ab. Seinen Auftrag sieht er in der Konzentration auf das Kerngeschäft. Dass dazu Atom- und Kohlekraftwerke gehören, ist für ihn nur selbstverständlich. Und eigentlich nicht der Rede wert. KLAUS JANSEN