Abgang eines Schwergewichts

Mit Wolfgang Peiner verliert der Hamburger Senat zum Jahreswechsel seinen Steuermann, der den Haushalt erfolgreich saniert hat – mit erheblichen Kosten für das Sozialgefüge der Stadt

Von Marco Carini

Der Abgang war fein inszeniert. Auf seinem letzten öffentlichen Auftritt vor der Amtsübergabe an Michael Freytag am 2. Januar hatte Wolfgang Peiner (CDU) acht seiner Vorgänger zum Gruppenbild mit Dame – der Ex-Finanzsenatorin Elisabeth Kiausch – in seine Behörde geladen. Es galt ein von dem ehemaligen Welt-Redakteur Uwe Bahnsen verfasstes Buch über die Hamburger Finanzpolitik der vergangenen Jahrzehnte vorzustellen – eine Ode an Peiners Haushaltskonsolidierung. Und nicht einmal der Buchautor stahl Peiner zum Abschied die Show – er war erkrankt und konnte der Präsentation seines Werks „Merkur, Macht und Moneten“ nicht beiwohnen.

Als Peiner das Rednerpult betrat, klangen seine Ausführungen wie gewohnt: knapp und präzise, fast frei von Prosa. In seinem ganzen Auftreten verkörpert der gebürtige Hamburger die Autorität, die ein Finanzsenator benötigt, um die widerstrebenden Interessen der einzelnen Behörden in Haushaltspläne zu gießen und finanzielle Begehrlichkeiten seiner Senatskollegen abzulehnen. Autorität, der ohne Kompetenz aber jede Ausstrahlung fehlen würden.

Peiner hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt: Zuerst als Speditionskaufmann, dann als Betriebswirt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, schließlich als Geschäftsführer einer Vermögensverwaltung und als Vorstandvorsitzender einer Versicherung. Als von Ole von Beust berufener Finanzsenator tat Peiner, was er gelernt hat; führte Hamburg wie ein Unternehmen.

Knallhart und von Widerständen unbeeindruckt, setzte er die Sanierung des Hamburger Haushalts durch, mit dem Erfolg, dass Hamburg wieder über einen ausgeglichenen Betriebshaushalt verfügt und die jährliche Neuverschuldung stetig absinkt. Peiner bemüht gern das Bild eines Gartens, in dem er habe „die Triebe zurückschneiden müssen, um Wildwuchs zu verhindern“, wenn er sein Wirken beschreibt.

Zurechtgestutzt hat Peiner – zum Wohl der Haushaltssanierung – vor allem den Sozialbereich, zurückgeschnitten auch die Umwelt- und Kulturpolitik. Er privatisierte – unbeeindruckt von einem anderslautenden Volksentscheid – den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) und später auch die Pflegezentren von „Pflegen & Wohnen“.

Gleichzeitig baute er einen Fonds auf, aus dem die ständig steigenden Pensionslasten ehemals städtischer Bediensteter bezahlt werden sollen – ein Problem, vor dem frühere, SPD-geführte Regierungen gerne die Augen verschlossen. Viel Innovation für die gerade fünfjährige Amtszeit eines Senators, der schnell zum Steuermann des Senats aufstieg und fast alle selbst gesteckten Ziele erreicht hat.

Doch genau in diesem unbeirrten Kurs, den Peiner stets steuerte, liegt aus Sicht der Opposition und der Gewerkschaften auch das Versagen des scheidenden Senators und des CDU-Senats, für den Peiner steht wie sonst nur Ole von Beust. Die Missachtung des LBK-Volksentscheides führte zu einem öffentlich wahrgenommenen Demokratieabbau, den die CDU inzwischen auch in Meinungsumfragen deutlich zu spüren bekommt.

Die Auswirkungen der von Peiner durchgesetzten Einschnitte im Sozial- und Bildungsbereich sind in der Stadt spürbar. Überfüllte Kindergärten und Schulklassen, Kinderarmut und -vernachlässigung, das Abgleiten immer größerer Bevölkerungsteile in Armut und Dauererwerbslosigkeit lauten die Kollateralschäden einer Politik, die Hamburg als Konzern begreift und proklamiert, erst wenn die Wirtschaft boome, könne sich die Stadt soziale Fürsorge leisten.

Die Aufstockung der Sozialen Dienste nach dem Tod der kleinen Jessica und das nachgeschobene 90-Millionen-Programm des Bürgermeisters für benachteiligte Stadtteile markieren die vorsichtigen Korrekturen, aber auch das unausgesprochene Schuldeingeständnis dieser Politik, stopfen ein paar der Löcher, die die rigide und einäugige Haushaltssanierung zuvor gerissen hat. Während Hamburgs Wirtschaft Fahrt aufnimmt, ist die Stadt sozial gespalten.

Fokussiert auf Wachstum und Aufschwung, der sich an einer leichten Zunahme der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten belegen lässt, ist unter der Regie von Peiner der Zweite Arbeitsmarkt in einen desolaten Zustand geraten. Sinnvolle Qualifizierungsmaßnahmen sind Mangelware, Langzeitarbeitslose werden fast nur noch verwaltet, die Hamburger Arbeitsagentur ist miserabel aufgestellt und chaotisch organisiert.

Wenn der 62-jährige Peiner, der Politik immer nur als Lebensabschnitt, nie aber als Lebensaufgabe sah, nun in die Wirtschaft zurückkehrt, hat er in Hamburg unstrittig viel bewirkt. Ob Gutes oder Schlechtes – das aber bleibt eine Frage der Perspektive.