: Was hat Sie 2006 zu einem anderen Menschen gemacht?
Zehn nichtrepräsentative Ansichten über das Jahr. Und darüber, was von ihm bleibt
NICHTS
Bin mal wieder ganz der Alte geblieben. Daran konnten weder große Koalition, Gesundheitsreform noch Rauchverbotsdebatte etwas ändern. Selbst der Tod von Rudi Carrell hat mich nicht verändert – obwohl, schade ist es doch.
Bleibende Schäden? Mein Vertrauen in die grüne Partei ist im letzten Jahr auf einen bedauerlichen Tiefstpunkt gesunken. Zudem wurde mir bewusst, in meiner Jugend das ein oder andere Killerspiel gespielt zu haben. Ob ich wohl deswegen manchmal jemanden umbringen will? Ich habe euch gewarnt.
Mensch des Jahres? Keiner. Alle. Blöde Frage.
Ort? Buenos Aires im späten Oktober, Abendspaziergang am Rio de la Plata. Wenn die Mücken nicht wären und die ständige Angst, überfallen zu werden - perfekt. Na ja, der Geruch könnte vielleicht noch etwas besser sein.
Wort? Boludo! (schwer übersetzbares argentinisches Allzweckwort)
Mord? Der an Sabine Christiansen und Kai Diekmann. Was, die leben noch? ’tschuldigung. Dann jedenfalls nicht der Mord an diesem zwielichtigen russischen Exgeheimdienstmann. Was kümmerts mich, wenn sich russische Agenten gegenseitig umbringen? Viel wichtiger ist der Mord an Anna Politkowskaja, einer mutigen Journalistin.
Ökobilanz? Auto abgeschafft: minus zwei Tonnen CO2. Einmal Argentinien und zurück: plus siebeneinhalb Tonnen. Sieht schlecht aus.
Welches Buch weggeschmissen? Aber nicht doch! Bücher sind unsere Freunde! Und wer wird Freunde wegwerfen, die er genauso gut verkaufen könnte! Tatsächlich habe ich mir die unangenehmsten Bücher des Jahres gar nicht erst ins Haus geholt: Schröder und Eva.
Was Neues entdeckt? Hätte nicht gedacht, dass man aus den Beatles kommerziell noch mehr herausholen könnte als bisher. Wurde durch „Love“ eines Besseren belehrt. Absolute Neuentdeckung aber: „Die Brüder Karamasow“ von Fjodor Michailowitsch Dostojewski. Mein Buch des Jahres.
STEFAN KUZMANY
PHILIPP LAHMS FLANKENLÄUFE
Und die Pressekonferenzen von Merkel und Müntefering (insbesondere das verhaltene Lächeln, wenn gerade der andere redet), der endgültige Abschied von der Kindheit und die wachsende Erkenntnis, dass die eigene Verblödung sich schier unaufhaltsam Bahn bricht, wenn man seine Adoleszenzwahrheiten immer noch ungerupft und ungeprüft glaubt: und sich infolgedessen immer noch vor denen fürchtet, die einen auf die Verblödung festnageln wollen.
Bleibende Schäden? Ina Hartwig.
Mensch des Jahres? Zinedine Zidane wegen des gelungenen Beweises, dass Kopf („wumm!“) und Zahl („10“) nicht zwei Seiten derselben Medaille sind. Günter Grass wegen des gelungenen Nachweises, dass Zahl („10 Millionen Schwedenkronen“) und Kopf („Totenkopf“) zwei Seiten derselben Medaille sind. Gemeinsamer Nenner: Schwamm drüber! Matthias Platzeck, der („wumm!“) bewies, dass Politik nicht alles ist.
Ort? Aschaffenburg, Kierspe im Sauerland.
Wort? Kartoffel, Polonium.
Mord? Mowladi Baissarow, Dmitri Fotjanow, Andrei Koslow, Anna Politowskaja, Alexander Litvinenko.
Ökobilanz? Gerade hat mein FCKW-freier Kühlschrank den Geist aufgegeben. Hat jemand im Raum Frankfurt etwas Einbaufähiges mit Nischenhöhe 177 auf Boxgröße 560 x 550 cm anzubieten? (3 kg fast taufrisches Biowildschwein günstig abzugeben!)
Welches Buch haben Sie weggeschmissen? Drei große Umzugskartons voll 70er-Jahre-Wissenschaft plus Wibke Bruns Taschenbuchausgabe von „Meines Vaters Land“ wg. unerträglichen Herkunftsstolzes. Finder des Werks seien gewarnt: Sie betreten mit der Lektüre urdeutschen Boden in neudeutscher Verpackung.
Was Neues entdeckt? Die Realität der Sterblichkeit.
CHRISTIAN SCHNEIDER
ANDERE MENSCHEN?
Nein? Na gut, aber sie haben’s wenigstens versucht.
Bleibende Schäden? Eine unvorsichtige Urlaubsreise zur falschen Zeit (in Deutschland war wohl gerade „Sommermärchen“) hat mich bei meiner Rückkehr zum wimpellosen Fremden im eigenen Land werden lassen – dabei wär ich doch so gerne Teil eines unverkrampften Volkskörpers geblieben!
Mensch des Jahres? Jener langmütige Automechaniker, der mir im Staub der katalanischen Pyrenäen meine ausgefallene Moto-Guzzi-Benzinpumpe durch ein adäquates Modell von Mercedes-Benz ersetzte und mir damit die Weiterfahrt ins Paradies ermöglichte.
Ort? Das Paradies, besser: Bardou, ein verlassenes mittelalterliches Kastanienpflanzerdorf im wild-verschlafenen Languedoc mit seinen stromlosen Steinhütten und den jammernden Pfauen, über die man dort allenthalben stolpert, nur unten nicht, in der Schlucht, beim Wasserfall mit seinen blauen Libellen. Hach. Die Hölle, besser: Dubai. Hätte wirklich gedacht, dass den Söhnen Arabiens zum Thema „Städtebau im 21. Jahrhundert“ mehr einfällt als dieses unendlich traurige Las Vegas auf Speed.
Wort? Selbstverständlich „saumselig“, das allerschönste aller Worte deutscher Zunge. Und natürlich la bomba (spanisch für: Benzinpumpe).
Mord? Mord? Hatte ich nicht angeordnet, es wie einen Unfall aussehen zu lassen? Jedenfalls steht der Kinogänger in mir längst mit Betonschuhen am Grund der Spree …
Ökobilanz? Siehe „saumselig“ bzw. la bomba.
Welches Buch haben Sie weggeschmissen? Das Telefonbuch. Stehen eh nur andere Menschen drin. Lese nur Bücher von Leuten, die seit mindestens 200 Jahren tot sind. Wirklich ärgerliche Bücher schaffe ich mir entweder a) gar nicht erst an oder überantworte sie b) unverzüglich dem Feuer.
Was Neues entdeckt? Mich selbst! Hab ich mich tierisch gefreut! Dann die böse Überraschung: Bin ganz der Alte geblieben. Schöne Scheiße.
ARNO FRANK
NICHTS
Bleibende Schäden? Hoffentlich nicht.
Mensch des Jahres? Kofi Annan.
Ort? Regensburg. Und Istanbul.
Wort? Unterschicht.
Mord? Anna Politkowskaja.
Ökobilanz? Gegenfrage: Haben wir noch Zeit, um Bilanz zu ziehen? Die drohende Klimakatastrophe – was heißt hier eigentlich: „drohend“? – eignet sich nicht mehr für „ermutigende Schritte“ in die „richtige Richtung“. Sie befindet sich auf der Zielgeraden. Aber die Relation zwischen der Erregung über die Gefahren des Passivrauchens und der Angst vor den Folgen des Klimawandels erinnert an jemanden, der erst mal den Herd abstellt, bevor er aus seinem lichterloh brennenden Haus rennt. Nein, mit diesem Vergleich sollen nicht die Gefahren des Passivrauchens bagatellisiert werden.
Welches Buch haben Sie weggeschmissen? Joschka Fischer: „Mein langer Lauf zu mir selbst“.
Was Neues entdeckt? Syrien als Urlaubsland. Und einige meiner Vorurteile. Was ich erwartet hatte: schöne Altstädte, eindrucksvolle Ruinen, tolle Vorspeisen. Was ich gar nicht erwartet hatte: entspannte, alberne Teenager beiderlei Geschlechts, die in einer malerischen Teestube gemeinsam Geburtstag feiern. Ziemlich neue US-Filme auf DVD im Schaufenster. Suren aus dem Koran am Rückspiegel des einen Taxis baumelnd, ein Marienbild am Rückspiegel des anderen. Ein Internetcafé, in dem ich alles über Syrien abrufen konnte, wonach mir der Sinn stand – auch kritische Artikel der englischsprachigen Presse. Chinesische Riesenluftballons. So viel wütendes Geschimpfe auf die Regierung von Taxifahrern, Kellnern, Verkäuferinnen und anderen Leuten, dass man gleich in Berlin hätte bleiben können. Um Missverständnissen vorzubeugen: Dieses ist keine politische Analyse. Ich war als Touristin in Syrien, nicht als Journalistin. Die Schatten der Geheimpolizei fallen nicht auf Urlauberinnen.
BETTINA GAUS
KATASTROPHEN
Debakel der angloamerikanischen Politik im Mittleren Osten. George W. Bush. Condoleezza Rice. Beschädigt ist (auch) die (linke) Idee der Internationalen Solidarität – die Wut auf Despoten wie Saddam, auf Organisationen wie die Hamas oder die Hisbollah. Gewonnen haben auch die Relativisten. Der Glaube, dass eine andere schon aus sich selbst heraus eine okaye Kultur ist. Die US-Realos und die Kulturfundis wissen sich einig. Schrecklich. Mobbing gegen Eva Hermann. Sie vertritt seltsame Auffassungen. Aber muss sie schon gleich vom politisch korrekten Milieu für eine Teufelin gehalten werden?
Bleibende Schäden? Die Grünen. Wissen noch immer alles besser und checken nicht, dass ebendies schon immer alle genervt hat. Nähern sich den Liberalen mehr und mehr an und werden endlich koalitionsfähig - und das beunruhigt nicht einmal den Christian (Ströbele). Bütikofer hat man plötzlich lieb, die Claudia ja sowieso. Trittin wird Boss seines Parteiladens, ohne dass er einen Posten braucht. Hübsch: ein Exkommunist auf schwarzer PartnerInnensuche.
Mensch des Jahres? Die Guten, Wahren, Schönen. Zinedine Zidane (emotional eine sichere Bank); Horst Köhler (sagt Dinge zum Familiären, was die Union ärgert); Alice Schwarzer (Engagement in der Homomahnmalsdebatte); Lordi (Gott sei Dank keine Schwermetallmusiker mit Echtheitssiegel, dafür nette Halloween-Rollenmodelle); Jens Lehmann (Der Neue Mann: zart und taff zugleich); Papst Benedikt XVI. (Kostüme); Nancy Pelosi (die beste Hillary der USA).
Wort? Krass.
Mord? Pinochet leider vom Acker gemacht, irdischer Strafe entronnen. Feigling!
Ökobilanz? Die Klimakatastrophe haben jetzt alle auf dem gefühlten Lebensstilthermometer. Was aber sind Pellets?
Ein Buch weggeschmissen? Nur verschenkt, Schröders Memoiren z. B.
Was Neues entdeckt? Immer neu, jeden Tag: Das Leben ist schön.
JAN FEDDERSEN
AL GORE
Und sein Klimawandel-Film „An Inconvenient Truth“.
Bleibende Schäden? Siehe „An Inconvenient Truth“.
Mensch des Jahres? Al Gore.
Ort? Berlin-Kreuzberg. Und die letzten 8,8 Prozent CDU-Wähler kriegen wir auch noch integriert.
Wort? Klimawandel.
Mord? Clarence Ray Allen, 75, wurde am 17. Januar 2006 in San Quentin von Arnold Schwarzenegger hingerichtet.
Ökobilanz? Einmal Transatlantik hin und zurück haut ins Kontor. Immer noch kein Dieselrußfilter. Aber: vier Haushalte zum Ökostrom gebracht. Und die neue Edelstahl-Kühlgefrierkombination A ++ kommt richtig gut. Vor allem aber: Spritverbrauchminusrekord aufgestellt: 2,8 Liter auf 100 Kilometer. Okay, Landstraße. Aber wer weniger schafft, kriegt von mir eine Kiste Bier.
Welches Buch haben Sie weggeschmissen? Claudia Roths Autobiografie „Das Politische ist privat. Erinnerungen für die Zukunft.“ Das ist nicht mehr lustig.
Was Neues entdeckt? Ernsthaftigkeit. Derweil ich Fußball wieder durch die Augen eines Kindes sehen kann, was schön ist. Habe außerdem wieder etwas Gefühl im linken Fuß.
PETER UNFRIED
DER BARTWUCHS
Einmal war ich ein bärtiger Mensch; nach einer Phase der graduellen Veränderung bin ich nunmehr ein bärtigerer Mensch und sehe als solcher der endgültigen Wandlung zum Bärtiger entgegen.
Bleibende Schäden? Die Gorillas sterben aus. Die Fische sterben aus. Die Wälder sterben ab. Die Demokratie kommt aus der Mode. Da möchte ich nicht davon anfangen, dass mein verletzter Ringfinger immer noch steif ist.
Mensch des Jahres? Die A.
Ort? Philipp Lahms 1:0 gegen Costa Rica! Ach, „Ort“! Verzeihung, ich leide an einer leichten Anagrammlegasthenie. Also Ort: Die 36 Kammern von Schloss Pertenstein im Chiemgau. Ich saß im Glockenturm zur Geisterstund.
Wort? Problembärtiger.
Mord? Zu große Auswahl. Zum Beispiel die Entsorgung von 400 Tonnen europäischem Giftmüll auf Mülldeponien in der Elfenbeinküste aus Geldspargründen. Über 10.000 Leute erkranken, 6 (oder mehr?) sterben, und dann steht überall, das sei ein „Giftmüllskandal“; ein „Skandal“, als sei die Fickaffäre irgendeines Politikers aufgeflogen. Leute, die Tausende sehenden Auges vergiften, sind in meiner kleinen Welt keine Skandalnudeln, sondern (versuchte) Massenmörder (s. a. die Einleitung von PFT in die Alz durch Dyneon in Burgkirchen).
Ökobilanz? Schlecht, fürchte ich. Zumindest bin ich 2006 kein Mal geflogen, sondern Zug gefahren. Ich finde es so schwer, mich zu motivieren, „Lebensgewohnheiten zu ändern“, und dann ist da dieser gigantische heiße Stein, auf den man sein Tröpfchen macht. Aber muss ja. Wo fängt man an? Die sollen endlich das Flugbenzin besteuern, die Nasen.
Buch weggeschmissen? Ich schmeiße keine Bücher weg, sondern hole vielmehr auch noch die entsorgten („zu verschenken“) meiner Nachbarn zu mir.
Was Neues entdeckt? Zum Beispiel die niederländischen Meister des 17. Jahrhunderts. (hüstel) Und YouTube. Und dass Inhalieren mit Kamille tatsächlich besser gegen Sinusitis hilft als alles andere (Danke, Dr. Holg).
JOSEF WINKLER
DIE GROSSE KOALITION
Wenn die Regierungsgestalten sich untereinander einigermaßen verstehen, die sich im vorigen Jahr noch wütend bekämpft haben, dann ist es mir angesichts dieser ganz erholsamen Entspannung zu oberkritisch, wie bisher über Erzfeinde à la Stoiber oder Schäuble herzufallen oder auch über Kurt Beck, der an selbstgefälliger Pampigkeit den abscheulichen Roland Koch übertroffen hat, oder über Ulla Schmidt, deren Hosenanzug womöglich noch unvorteilhafter ist als der von Merkel. Als Politpolemiker im unbezahlten Urlaub genieße ich die neu gewonnene Freizeit.
Bleibende Schäden? Hat die Fußball-WM hinterlassen, genauer: die euphorische Bilanz. Denn nun gilt Patriotismus als gesund, wenn nicht gar als fröhliches Heilmittel gegen Rechtsradikalismus. Sogar der gestrenge Grass hat seinen Segen zum Fähnchenschwenken gegeben. Daher müsste man den Bielefelder Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer fast zum Menschen des Jahres küren. Aus dessen 2006er-Studie „Deutsche Zustände“ geht hervor, dass auch harmloser Fußball-Patriotismus Fremdenfeindlichkeit gebiert.
Mensch des Jahres? Ich verzichte auf Originalität, nenne Anna Politkowskaja.
Ort? Das total mafiose Moskau.
Wort? Gazprom-Mord? An Anna P.
Ökobilanz? Wie ist das mit dem Steigen des Meeresspiegels nach Abschmelzen der Polkappen nun wirklich? Wer nimmt allein die Hamburger alle auf? Wo sind die Evakuierungspläne?
Buch weggeschmissen? Aussageverweigerungsrecht! Es sind zu viele. Ich will auch keine Autorenkollegen kränken – will auch nicht wissen, wer mich wegschmeißt. Nur so viel: Zwei, drei Dutzend von Denis Scheck und Elke Heidenreich wärmstens empfohlene Werke der frisch publizierten Hochliteratur kommen zusammen.
Was Neues entdeckt? Zunahme der nachgeplapperten Religiosität mit der Pseudolegitimation, damit dem Islam etwas entgegenzuhalten. Köstliche Neuigkeiten in alten Briefen von Heine, die fast komplett im Internet stehen.
JOSEPH VON WESTPHALEN
GESTALTTHERAPIE IM ALLTAG
Seit auch bei James Bond das populär-psychoanalytische Wissen angekommen ist ( „Casino Royale“, sensationeller Dialog zwischen Bond und Assistentin Vesper Lyndt im Zugabteil – „Sie sind sicher Waisenkind“), ist klar: immer schön durchanalysieren, alles und jeden und vor allem sich selbst. Schafft Deutungsvorsprung. Und spart Geld.
Bleibende Schäden? Viel geraucht. Und zu viel geredet.
Mensch des Jahres: Borat
Wort: alle Ismen in inflationär-adjektivischer Verwendung: rassistisch, islamistisch, faschistisch, islamophobistisch, sexistisch. Politisch korrektes Propagandasprachmaterial. Schlimm.
Mord: Anna Politkowskaja.
Ort: Sportplatz in der baden-württembergischen Provinz. Endlich verstanden, wie Fußball wirklich funktioniert – auch wenn die Tore im Bezirksligaspiel leider nicht in Zeitlupe zu sehen waren.
Ökobilanz: Einmal mit dem Katamaran gefahren statt geflogen (die Entdeckung der Seeübelkeit bringt gefühlte drei Pluspunkte auf der Moralskala). Nur einmal aus privaten Gründen billig geflogen. Kein Auto. Dafür beruflich aus Budgetgründen viel billig fliegen müssen. Privat in diverse Taxifahrten investiert aufgrund von Nachtschichtpausen öffentlicher Verkehrsmittel. Keine Mülltrennung, da getrennter Müll in Berlin ein Widerspruch in sich ist. Fazit: Muss ökojakobinisch gesehen besser werden.
Welches Buch haben Sie weggeschmissen? In die Ecke, aus Frust: „Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod“. Aus der Ecke geholt, aus Trotz: Günter Grass, „Der Butt“.
Was Neues entdeckt? Heinrich Manns „Im Schlaraffenland. Ein Roman unter feinen Leuten“ – weil sich seit 1900 im neurotischen Zusammenspiel zwischen Kunst- und Literaturbetrieb, Feuilleton und Kommerz so gar nichts geändert hat, auch wenn die Protagonisten andere Namen tragen.
SUSANNE LANG
APPLE UND DSL
Genauer gesagt: Die Konversion zu Apple in Kombination mit einem DSL-Anschluss. Das kleine, weiße Notebook kommt jetzt immer mit ins Bett und darf auch noch ein wenig fernsehen. Nur wenn das Licht ganz ausgeht, muss er auf den Nachttisch - allein und friedlich schnorchelt er dort mit seinem atmenden, weißen Lämpchen vor sich hin. Mensch und Maschine in friedlichem Einklang. Endlich.
Bleibende Schäden? Eine gekündigte Freundschaft.
Wort? Migrationshintergrund.
Mord? Eine einseitig gekündigte Freundschaft.
Ort? Ein Sportstadion in Jerusalem, das den diesjährigen Gay Pride beherbergte. Ein Hochsicherheitstrakt zum Schutz vor radikalisierten orthodoxen Gläubigen jeglicher religiöser Provenienz. Mein persönlicher Beitrag zum Frieden im Nahen Osten: Zumindest im Hass gegen Homosexuelle können sich die extremen Kräfte beider Seiten die Hände reichen. Nachtrag zu den bleibenden Schäden: Wegen der Teilnahme habe ich aufgrund eines durch einen Rabbi ausgesprochenen Todesfluchs nur noch ein Jahr zu leben. Mehr dazu hoffentlich im nächsten Jahr.
Ökobilanz? Ich verabscheue Billigflieger, weil man am Flughafen nie einen Parkplatz findet. Im Ernst eine grottige Bilanz: Auto geerbt und häufig per Flugzeug unterwegs gewesen. Plus: Neuen Katalysator eingebaut, der fast mehr wert ist als das ganze Automobil. Na ja.
Welches Buch haben Sie weggeschmissen? Macht man nicht.
Was Neues entdeckt? Ein graues Haar.
MARTIN REICHERT
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