Schwerer Zwischenfall an der Grenze

NAHOST Nach dem Tod eines Israeli auf den annektierten Golanhöhen greift die Armee syrische Stellungen an. Für die israelische Armee kommt diese Entwicklung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt

JERUSALEM taz | Der bisher schwerste Zwischenfall auf den Golanhöhen seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs hat mehrere Tote und Verletzte gefordert. Zehn syrische Soldaten sollen bei israelischen Luft- und Raketenangriffen getötet worden sein, berichtete der israelische Hörfunk am Montag. Die Angriffe waren eine Vergeltung für den Tod des 14-jährigen arabischen Israeli Mohammed Krakara.

Der Junge war am Vortag auf den von Israel annektierten Golanhöhen von einer syrischen Anti-Panzer-Rakete getroffen worden. Zwei weitere Israeli, darunter der Vater des Jungen, wurden verletzt. Die israelische Armee werde die nördliche Grenze weiter beobachten „und entsprechend auf Entwicklungen vor Ort reagieren“, heißt es in einer Mitteilung von Armeesprecher Peter Lerner. Vater und Sohn Krakara waren mit einem Fahrzeug der Armee unterwegs.

Alle paar Wochen kommt es seit drei Jahren zu in der Regel ungewollten Grenzzwischenfällen, die Israel jeweils mit gezieltem Zurückschießen auf Einrichtungen der syrischen Armee beantwortet. Jetzt ist erstmals ein Israeli getötet worden. Außerdem ist von einem gezielten Angriff aus Syrien die Rede, wobei zunächst unklar blieb, ob syrische Truppen verantwortlich sind oder ausländische Milizen, die mit der Armee gegen die Rebellen kämpfen. Die Grenze zwischen Israel und Syrien gilt seit der israelischen Besetzung der Golanhöhen 1967 und der späteren Annektierung als eine der ruhigsten israelischen Grenzregionen. Weder Israel noch Syrien liegt an einer Eskalation.

Bislang hat Syrien auf die israelischen Vergeltungsangriffe nicht reagiert. Mehrere gezielte israelischen Luftangriffe auf Waffentransporte, die über Syrien an die radikal-schiitische Hisbollah im Libanon gehen sollten, ließ das Regime von Baschar al-Assad in Damaskus unbeantwortet. Für Israel wird mit dem Transport von modernen Waffen an die Hisbollah eine „rote Linie“ überschritten.

Der Zwischenfall an der Nordgrenze kommt für Israels Armee zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Tausende Soldaten sind noch im Einsatz auf der Suche nach den drei vermissten israelischen Talmudschülern. Die Truppen legen neuerdings Brunnen frei, untersuchen Geröllhaufen und kämmen Felder durch, was darauf schließen lässt, dass auch die Möglichkeit berücksichtigt wird, dass die Entführten nicht mehr am Leben sind.

Nach Berichten der Zeitung Ha’aretz wird in Sicherheitskreise erwogen, die Suche den Nachrichtendiensten zu überlassen, um die Soldaten vor Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan am kommenden Wochenende aus den palästinensischen Städten abzuziehen.

SUSANNE KNAUL

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