FRANKREICH: SEKRETÄRINNEN AUS BERLIN NACH PARIS EXPORTIEREN
: Der Charme der klaren Ansage

„Hol doch mal eine Stellungnahme von X-y-z ein“: So lautet ein häufiger Auftrag aus der Zentralredaktion. Es soll, das versteht sich von selbst, schnell gehen. Möglichst bis bis zur Deadline. Schließlich soll es nur etwas Kurzes werden. Und es sind volle drei Stunden Zeit, um „X-y-z“ anzurufen, zu interviewen und zu übersetzen.

X-y-z ist meist eine prominente Person. Mit Einfluss und Namen in der Welt. Seine Erfahrungen und Analysen zählen auch in Deutschland. Nun wissen auch die Redakteurskollegen in Deutschland, dass Leute wie X-y-z nicht ununterbrochen darauf warten, dass ausländische Korrespondentinnen anrufen, um sie zu interviewen. Manchmal ist ein X-y-z verreist. Oder hat andere Prioritäten. Diese Risiken sind im Redaktionsgeschäft einkalkuliert. Woran Redakteure in Berlin hingegen nie denken, das ist die Sekretärin von „X-y-z“. Dabei ist die Sekretärin in Paris die erste Hürde. Oft bleibt sie unüberwindlich. An ihr sind schon unzählige Interviewpläne gescheitert.

Sekretärinnen in Paris sind Expertinnen für den charmanten Abwehrkampf. Ihre erste Waffe ist die Stimme: Die muss sexy klingen. Ihre zweite Waffe ist die Unverbindlichkeit. Die dritte ist die Anonymität. „Selbstverständlich rufen wir Sie zurück“, säuselt die Sekretärin ins Telefon, „noch vor der Mittagpause.“ Inhaltliche Auskünfte lehnt sie grundsätzlich ab: „Das wird Ihnen X-y-z sagen.“ Den eigenen Namen verrät sie grundsätzlich nicht: „Das ist unwichtig.“ Selbstverständlich hält sie auch ihre Durchwahl geheim.

Der versprochene Rückruf kommt nur in Ausnahmefällen. Wer am nächsten Tag noch einmal nachhaken will, muss die Telefonodyssee, die von der Zentrale über ein Sekretariat bis zum nächsten führt, erneut beginnen. So lange, bis ein Anrufbeantworter dem Kontaktversuch ein brüskes Ende setzt. Oder bis eine namenlose Sekretärin mit sexy Stimme ins Telefon säuselt: „Mit wem haben Sie denn gesprochen?“

Sekretärinnen in Berlin säuseln nicht. Sie haben immer einen Namen und eine telefonische Durchwahlnummer. Und sie haben oft etwas zu sagen. Wer es bis zu ihnen schafft, kann sicher sein, dass auch X-y-z von dem Interviewwunsch erfährt. Und bekommt gelegentlich sogar schon beim ersten Anruf eine zwar brüske, aber klare Antwort. In solchen Fällen benutzen Sekretärinnen in Berlin ein Wort, das bei ihren Pariser Kolleginnen tabu ist: „Nein“.

DOROTHEA HAHN, PARIS