LESERINNENBRIEFE
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Typisch deutsche Schweineesser

■ betr.: „Ich muss mehr auf den Putz hauen“, Interview mit Ilse Aigner, taz vom 22. 1. 11

Auf die Feststellung: „Die UN sagen: Der Planet ist nur zu retten, wenn wir weniger Fleisch essen“, antwortet Ministerin Aigner: „In katholischen Gegenden wie Oberbayern, wo ich herkomme, gibt es seit eh und je den fleischlosen Freitag. Ich esse viel Obst und Gemüse, dazu Fisch, Geflügel und gerne auch Fleisch.“ Erfahrungsgemäß heißt das: Am Freitag gibt’s mittags Fisch, sonst jeden Tag Fleisch. Am Freitagmorgen vielleicht ein wenig Wurst, und am Abend aufs Brot Wurst. Das ist der typische Deutsche Super-GAU-Schweineesser.

Und das Niveau der Antwort der Ministerin fällt nicht ab, es endet: „Aber ich will den Menschen keine Vorschriften machen.“ Bravo! Welche Reglementierungen standen noch gerade auf der Tagesordnung im meistreglementierten Staat der Welt? Zum Beispiel ab wann man gepanschte verdickte Milch Käse nennen darf und was als „Nichtstoffe“ zugelassen wird (Stoffe, die nicht als Zutaten erwähnt werden müssen) oder einfach: Hühnerhaltung im Garten wegen Lärmbelästigung verboten. TOBIAS LANGE, Hamburg

Die richtigen Anreize setzen

■ betr.: „Ich muss mehr auf den Putz hauen“

Die Argumentation von Ilse Aigner erscheint in einem Punkt sehr aufschlussreich. Nur leider in negativer Weise. Denn wer eine höhere Wertschätzung von guten Lebensmitteln erreichen will, der muss hierfür nicht nur bei den Verbrauchern werben, sondern auch die richtigen Anreize geben. Indem man zum Beispiel endlich überzuckerte Fertigprodukte mit einer roten Ampel deklariert, statt die Industrie ihre eigenen, die Konsumenten bewusst in die Irre führenden Nährwertangaben machen zu lassen, bei denen so kleine Portionen verwendet werden, dass ungesunde Rezepturen auf den ersten Blick wieder gesund wirken. Weshalb es der Ministerin weniger an Durchsetzungskraft als vielmehr an genügend Idealismus und Fantasie fehlt, um ein richtiges politisches Gericht für den nötigen Bewusstseinswandel zu kreieren! RASMUS PH. HELT, Hamburg

Zu Tränen gerührt

■ betr.: „Ich muss mehr auf den Putz hauen“

Diese arme Frau, gefangen zwischen Marktradikalen und industrieller Agrarlobby, hat mich mit ihren Sätzen von ihrer dörflichen Herkunft fast zu Tränen gerührt. Eine Politik, die seit Jahrzehnten die Globalisierung und die Industrialisierung des Marktes für Lebensmittel vorantreibt, braucht mir nicht mit der plötzlichen Einsicht zu kommen, dass es ja so nun auch nicht gehe, es handele sich ja schließlich um Mittel für Leben. Auch das mantraartig vorgetragene Argument, für alle Beteiligten auf diesem Markt gelte schließlich die Qualität als höchstes Ziel, ändert nichts daran, dass das oberste Ziel der Marktteilnehmer in einem solchen Markt die Gewinnmaximierung ist und sonst nichts. Gleiches gilt übrigens auch für die Märkte für Energie oder Wasser! Wörter wie ökologisch, sozial, artgerecht oder nachhaltig aus den Mündern derer sind der blanke Hohn und entlarven den verzweifelten Versuch, sein Fähnlein mal wieder in den Wind zu hängen. CARSTEN WILL, Birtlingen

LeserInnen entpolitisiert

■ betr.: „Darauf können Sie Gift nehmen“, taz vom 20. 1. 11

Wer – wie die taz – Büttel der Agrarlobbyisten wie Funke, Seehofer und Aigner auf eine Stufe stellt mit Aufklärern und ReformerInnen wie Renate Künast, entpolitisiert die LeserInnen getreu dem Stammtischmotto „PolitikerInnen sind eh alle gleich“ und betreibt zugleich das Geschäft der Agrarindustrie. Das Künast-Zitat „In unsere Kühe kommt nur Wasser, Getreide und Gras“ sollte seinerzeit die grüne Agrarwende beschreiben, die so erfolgreich von den konservativen Kräften hintertrieben wurde. Alle, die trotz viel Gegenwind seit Jahrzehnten versuchen, Verbraucherschutz und Agrarwende herbeizuführen, müssen sich vom taz-Titel verarscht fühlen.

ARND GREWER, Berlin

Die Region „schmecken“

■ betr.: „Satt und doch nicht glücklich“, sonntaz vom 22. 1. 11

Julia Seeligers Aussage „Die Initiative Slowfood hat sich mit ihrem Aufruf zur Demo zum ersten Mal überhaupt politisch geäußert – und in den Ortsgruppen, die sich treffen, um dem guten Essen zu frönen“ möchte ich leidenschaftlich widersprechen. Ein Blick auf die Homepage www.slowfood.de hätte der Autorin von wegen „nicht politisch sein“ die Augen geöffnet. Als langjähriges aktives Slow-Food-Mitglied im Chiemgau verwahre ich mich gegen die Behauptung, dass Slow-Food-Mitglieder hauptsächlich zusammenkommen, um „nur“ dem guten Essen zu „frönen“. Natürlich hat gutes (naturbelassenes) Essen einen hohen Stellenwert, davon lebt der Mensch ja schließlich. Auch für unsere „Tafelrunden“ werden Gaststätten ausgesucht (getestet), die nach dem Motto „gut, sauber, fair“ wirtschaften. Dabei spielt die Regionalität, Saisonalität und Authentizität eine wichtige Rolle. So sollten die besuchten Gasthäuser Brot, Eier, Fleisch, Gemüse, Obst und Getränke so nah wie möglich einkaufen, damit Transparenz auf dem Teller bzw. in den Gläsern ist, und um so die Region mit ihren teils typischen Gerichten zu schmecken. Das ist für mich und viele andere Mitstreiter „Slow Food“. Ansonsten ist der Artikel gut gemacht, und ich freue mich als taz-Abonnent immer wieder über diese Art der Themen. HERBERT ZEILINGER, Stein an der Traun