„Leute an die Hand nehmen“

DISKUSSION DGB, Arbeitssenator und Handelskammer über die Ausbildungsgarantie

■ 54, ist Vorsitzende des DGB in Bremen.

taz: Frau Düring, die Handelskammer sagt, es gibt genug Ausbildungsplätze, aber zu wenig Ausbildungsfähige.

Annette Düring: Es gibt Leute, die nicht die Voraussetzungen mitbringen, die es für eine Ausbildung braucht. Aber wir haben in Deutschland so eine Mentalität entwickelt, dass die Leute schon fertig ankommen müssen, obwohl wir sie doch eigentlich erst ausbilden müssen! Das ist unsere gesellschaftliche Pflicht, aber weil unser ganzes System auf Auslese ausgerichtet ist, fallen sie raus.

Aber wenn jemand weder lesen, schreiben noch rechnen kann?

Grundfertigkeiten brauchen Sie, um auf dem Arbeitsmarkt eine Chance zu haben, ja. Auch in Handwerksberufen reicht es nicht aus, nur praktische Fähigkeiten erworben zu haben. Aber dann muss man auch fragen, warum jemand das nicht gelernt hat und etwas ändern, wenn nicht schon an der Schulausbildung, dann wenigstens an den berufsvorbereitenden Maßnahmen.

Haben Sie Ideen, wie es besser gehen kann?

Es gab in Dänemark mal ein sehr gutes Programm. Da ging es um junge Menschen, die schlicht kein Bock auf Schule hatten, aber arbeiten wollten. Die konnten dann etwas machen, wo der Schwerpunkt auf dem Arbeiten lag, aber nebenbei haben sie auch Theoretisches gelernt – in Verbindung mit dem Praktischen. Es lernt sich leichter, wenn man versteht, wofür man den Dreisatz lernen muss, zum Beispiel um herauszufinden, wie viel Liter Farbe man für eine Wand braucht.

Manch einer hat vielleicht auch keine Lust, das zu nehmen, was niemand machen will.

Klar, ich würde auch nicht gerne Fleischerin lernen wollen. Es ist auch falsch, Schmalspurausbildungen für die anzubieten, die es nicht anders schaffen würden. Gerade die brauchen keine kürzere, sondern eine längere Ausbildungszeit, mit kleinen Treppen, die sie nacheinander nehmen können. Manche Leute muss man einfach an die Hand nehmen, aber wenn man das tut, dann bleiben die auch dabei. Ich will, dass wir allen sagen, „ihr seid uns wichtig und wir nehmen euch mit“. Nur will das dann meistens niemand bezahlen. INTERVIEW: EIB

19 Uhr, Handelskammer