Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Plastic, fantastic: Verner Panton. Jetzt sind die Möbelentwürfe des legendären Dänen, die sich gern zu etwas Organischem auswuchsen, das dann Wohnlandschaft genannt wurde, in den Nordischen Botschaften zu sehen. In manchen seiner Stühle, die eine Art eigenen (Kunststoff-) Raum bilden, darf man es sich sogar bequem machen. Mit ihrem dazu gruppierten, neuen bunten Möbeldesign sollen junge Dänen als seine Erben vorgestellt werden. Allerdings sind sie weder richtig plastic noch richtig fantastic, die Stoffe sind zu wollig und die Stühle zu sehr Stühle.

Vorn Plastic, im Hinterhof dann fantastic: Ich glaubte mich geradezu bei einer Gipfelbesteigung, als ich über Arno Brandlhubers Treppe den obersten Stock in der Brunnenstraße 9 erklomm. Dort stellt Juergen Teller bei 032c in der berühmten Vitrine Fotos von seinem Sohn, von William Eggleston und von Vivienne Westwood aus. Westwood räkelt sich nackt auf einem mit weichen Kissen gefüllten Sofa und schaut dabei so ungeheuer vergnügt aus, dass man es einfach gesehen haben muss. Faszinierend ihre weiße Haut und ihr knallorange Haupt- und Schamhaar, das so perfekt mit dem Orange der Kissen harmoniert.

Plastic fantastic surreal das Foto einer Gruppe junger Chinesen, die auf ihren, nein nicht Panton-, sondern Billigplastikmöbeln unter einer Brücke picknicken, umgeben von Abfall und Plastikmüll. Ein Dunstschleier umgibt die Szene, die Nadav Kander während seiner Recherche entlang dem Jangtsekiang aufgenommen hat. Man muss genau hinschauen, um die weiteren Personen zu entdecken, die offenbar unter dieser Brücke leben. Die giftigen Dämpfe des Fortschritts durchziehen fast jedes der neunzehn Motive, die Camera Work in großen Formaten zeigt. Es lohnt sich, diese staunenswert perfekten Abzüge aufzusuchen, der Katalog vermittelt nur eine müde Ahnung.

■ Verner Panton, Nordische Botschaften, Rauchstr. 1, Mo.–Fr. 10-19, Sa.–So. 11–16 Uhr, bis 28. Februar; Juergen Teller: „Men and Women“, o32c, Brunnenstr. 9, Mi.–Sa. 11–18 Uhr; Nadav Kander: „Yangtze – The Long River“, Camera Work, Kantstr. 149, Di.–Sa. 11–18 Uhr, beide bis 12. März