Sucht Kultursenator einen Speichellecker?

Seit zwei Jahren ist die Kulturbehörde Bremens ohne Abteilungsleiter. Jetzt will Kultursenator Jörg Kastendiek (CDU) kurz vor der Bürgerschaftswahl den Posten mit einem besetzten, der sich mit seinen „Vorgaben ... identifiziert“

Die Anzeige ist am 14. 12. 06 in der Zeit erschienen. Nachdem das Amt zwei Jahre vakant war, sucht Bremen einen Abteilungsleiter für sein Kulturressort. Eine „profilierte Führungspersönlichkeit“, klar, mit „hoher kulturfachlicher Kompetenz“ und dann kommt der Satz, den man zwei Mal lesen muss: „Die Bereitschaft und Fähigkeit, sich mit den Interessen, den Zielen und den Vorgaben des Senators für Kultur zu identifizieren“ werde „vorausgesetzt“.

Ein Schelm, wer denkt, das könne man am besten mit dem CDU-Parteibuch nachweisen. Aber was sind die Interessen des Kultursenators, mit denen ein Bewerber sich „identifizieren“ muss? Wie wird das überprüft? Fast erstaunlicher noch: Warum soll ein Abteilungsleiter sich mit den „Vorgaben“ des Kultursenators „identifizieren“? Nach Beamtenrecht muss er sie akzeptieren, darf allerdings seine eigene Meinung behalten.

Das klingt also nach Gesinnungsschnüffelei. Nach Misstrauen der Politik gegenüber der eigenen Verwaltung. Dieses Problem soll durch Bekenntniszwang gelöst werden, weil der Dienstherr sich eine offene, notfalls streitige Kommunikation über die in den unterschiedlichen Funktionen begründeten Differenzen nicht vorstellen kann. Die ordnungsgemäße Verwaltung wird ersetzt durch einen Stab ergebener persönlicher Berater (im Insider-Jargon der Behörde: „boygroup“) und einen zur Identifikation verpflichteten Abteilungsleiter.

Abgesehen davon, dass es kaum möglich ist, im Auswahlverfahren die gewünschte Identifikation zu prüfen und zum gerichtsfesten Entscheidungskriterium zu machen - die Verwaltung ist Recht und Gesetz verpflichtet. Der Diensteid für Beamte und das Gelöbnis für Angestellte sehen deshalb allein die Wahrung der Gesetze und die gewissenhafte Pflichterfüllung vor. Mehr braucht es nicht, mehr ist zu viel. Die Ausschreibung des bremischen Kultursenators ist daher mehr als ungewöhnlich; Vergleichbares wird man anderswo kaum finden. Die Leitung der Abteilung ist keine politische Funktion. Bewerbungsschluss ist, nachdem die Stelle zwei Jahre nicht ausgeschrieben wurde, der 31. Januar. Im Mai ist Neuwahl – soll in letzter Sekunde vor der Bürgerschaftswahl dennoch eine über den Wahltag hinaus wirkende parteipolitisch motivierte Personalentscheidung getroffen werden?

Die geforderte Identifikation ist das Gegenteil guter Kulturpolitik: Die Kultur gehört nicht dem Staat, sie ist Teil der Zivilgesellschaft. Eine vorrangige Orientierung der Verwaltung an den „Interessen, Zielen und Vorgaben“ des Dienstherren bzw. Arbeitgebers wird dem im Idealfall autonomen Bereich nicht gerecht. Bremens Kulturverwaltung ist mehr Unabhängigkeit und keine politische Gängelung zu wünschen, damit sie zum Dialogpartner einer selbst organisierten kulturellen Öffentlichkeit werden kann. Um die ist es in Bremen seit dem Niedergang von „Anstoß“ jedoch schlecht bestellt.

Die Politik besetzt eine Lücke, die die Kultur ihr lässt. Sie schadet damit dem Amt und der politischen Kultur Bremens.

Robert Huth