Berlins Adresse in Europa

Seit Dezember hat die Berliner Vertretung in Brüssel einen neuen Chef. Er soll die EU-Gesetzgebung beobachten und womöglich beeinflussen – und in den nächsten sechs Monaten viel repräsentieren

Die Finanzlage Berlins schränkt den Spielraum auf EU-Parkett gewaltig ein

aus Brüssel Daniela Weingärtner

Von außen ist das Gebäude ein typisches Brüsseler Bürgerhaus der Jahrhundertwende. Nur die Messingplakette am Eingang verrät, dass hier in der Avenue Michel-Ange 71 der Regierende Bürgermeister von Berlin seine europäische Dependance unterhält. Ein äußerst bescheidener Rahmen für die Hauptstadt von Europas größtem und wirtschaftsstärkstem Mitgliedsland. Doch die schwierige Finanzlage Berlins schränkt auch den Spielraum auf europäischem Parkett gewaltig ein. Mit einem Jahresetat von 20.000 Euro für „europäische Öffentlichkeitsarbeit“ an den beiden Standorten Berlin und Brüssel zusammen lassen sich keine großen Sprünge machen.

Das jährliche Gastspiel des Berliner „Theater im Palais“ gehörte bislang zu den Glanzlichtern des Veranstaltungskalenders. In Brüssel hat sich ein Freundeskreis für dieses Privattheater gegründet, der die Reisekosten teilweise finanziert, weitere Auftrittsorte neben der Berliner Landesvertretung organisiert und die Schauspieler privat unterbringt. Ohne diese umfangreiche Hilfe könnte das Land Berlin sich das Gastspiel nicht leisten.

Doch seit dem 1. Januar steht die Landesvertretung für die Dauer der deutschen Ratspräsidentschaft sechs Monate lang etwas mehr im Scheinwerferlicht. Am 31. Januar eröffnet Klaus Wowereit im Brüsseler Rathaus eine Ausstellung über „Das neue Berlin“, in der architektonische Highlights der Hauptstadt präsentiert werden. Auch vom neuen Hauptbahnhof im Spreebogen wird ein Modell zu sehen sein. Ob das Brüsseler Publikum über den erbitterten Streit aufgeklärt wird, den sich Bahnchef Hartmut Mehdorn und der Architekt Meinhard von Gerkan vor Gericht liefern? Volker Löwe übergeht die Frage mit einem Lächeln. Er residiert erst seit gut vier Wochen in der Avenue Michel-Ange. Am 1. Dezember hat er die Berliner Landesvertretung übernommen.

Wie schwierig es ist, die Öffentlichkeit für Europa zu begeistern, weiß Löwe aus seiner vorangegangenen Tätigkeit als EU-Referent in der Senatskanzlei in Berlin. Jedes Jahr hat er mehrere Schülergruppen per Bus zu einer „Tour d’Europe“ zu EU-geförderten Projekten oder zum Gespräch beim türkischen Botschafter eingeladen. Die Resonanz in den Schulen sei überaus positiv gewesen, erinnert sich Löwe. Doch Pressevertreter hätten sich bei den Ausflügen nicht blicken lassen.

Die Zukunft Europas sieht er optimistisch – das gehört wohl zum Job. Allerdings müsse es gelingen, junge Frauen wieder mehr für die Union zu begeistern. Löwe hat sich die negativen EU-Referenden in Dänemark, Frankreich und Schweden genau angesehen und dabei festgestellt, dass vor allem junge berufstätige Frauen Europa den Rücken kehren. „Frauen brauchen sichere soziale Netze, um die Familie mit dem Berufsleben vereinbaren zu können. In diesem Bereich vertrauen sie nicht auf die EU.“

Doch es gebe gute europäische Ansätze wie zum Beispiel Regelungen für binationale Ehen oder andere Bereiche des Familienrechts. „Wir müssen besser darüber informieren, wo Europa einen praktischen Nutzen hat“, sagt Löwe.

Auch die im Präsidentschaftshalbjahr geplante Veranstaltungsreihe „Europäerinnen“ dürfte junge Frauen ansprechen. Am Internationalen Frauentag wird dazu eine Ausstellung der Fotografin Bettina Flitner eröffnet. Die Berliner Landesvertretung beteiligt sich mit einem moderierten Dialog zwischen der Präsidentin der Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder), Gesine Schwan, und der polnischen EU-Kommissarin Danuta Hübner an der Reihe.

Die Routinearbeit der Landesvertretung wird natürlich nebenher weitergehen. Sie besteht vor allem darin, den Gesetzgebungsprozess zu beobachten und womöglich zu beeinflussen und Informationen über europäische Fördermittel für Berliner Interessenten bereitzustellen. Volker Löwe, der vor der Wende bei der Berlinvertretung in Bonn gearbeitet hat, kann beim Netzwerken auf zahlreiche alte Kontakte zurückgreifen. Allerdings war das Betätigungsfeld damals durch die klare Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern sehr viel klarer vorgegeben.

In Brüssel hingegen müssen sich die Interessenvertreter im Informations- und Entscheidungsgewirr ihren Weg ertasten. Der neue Chef der Landesvertretung beschreibt seine Tätigkeit so: „Im amorphen Meinungsbildungsprozess zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Akteur treffen.“