Super Problembewältigung

DOKUMENTATION Der Regisseur Guido Weihermüller erzählt in „Wechselzeiten“ von vier Frauen, die sich auf den Hamburg Triathlon vorbereiten

Ein Hubschrauber kreist über dem Rathaus, Menschen, wohin man schaut, Polizisten, Ordner, Tribünen – wow, die Großstadt, in der etwas Großes passiert. In diesem Fall der Hamburg Triathlon mit mehr als 10.000 Teilnehmern. Für gute Kameramänner und frauen ein Schlaraffenland der Motive – vor allem, wenn die Kamera auch noch unter Wasser taucht: Die Anfangssequenz des Films „Wechselzeiten“ ist ein Bilderreigen, der sich gewaschen hat. Ab Donnerstag läuft der Film in Hamburg, Ende Juli dann in Hannover.

Der Anfang nimmt vorweg, wie das Ende des Films aussehen wird: Es geht um vier Hamburger Freizeitsportlerinnen, die sich auf den Triathlon vorbereiten. Dafür nehmen sie an einem Trainingsprogramm für Triathlon-Anfänger teil. Der Filmemacher Guido Weihermüller begleitet sie und erzählt chronologisch, wie das zwölfwöchige Trainingsprogramm aussieht. Vor allem aber erzählt er, warum die vier Frauen das alles überhaupt mitmachen: Weihermüller hat sich vier Protagonistinnen gesucht, für die der Triathlon mehr ist als eine rein sportliche Herausforderung.

Angst vor Vergänglichkeit

Cecilia zum Beispiel hat eine Trennung hinter sich und muss als alleinerziehende Mutter zweier Kinder dringend mal wieder etwas für sich selbst tun. Sarah wiederum hat den Tsunami er- und knapp überlebt und arbeitet daran, ihre Angst vor dem Schwimmen zu bewältigen. Bei Kristina geht es um die Angst vor der Vergänglichkeit des eigenen Körpers: Sie ist 53 und hat vier Krankenhausaufenthalte hinter sich, Verdacht auf Brustkrebs. Und Adolé will schlicht etwas erleben: Sie ist als Berufsanfängerin neu in Hamburg, will Freizeitspaß und sucht Freunde.

Die vier Frauen erzählen viel aus ihrem Privatleben, manchmal auch mehr, als man wissen möchte. Der Sport im Allgemeinen und die Überforderung des Triathlons im Speziellen sind für sie Methoden, mit ihren Ängsten und Sehnsüchten umzugehen. Am Ende schaffen sie es alle ins Ziel und reißen nicht nur die Arme hoch, sondern vergießen mitunter auch Tränen – so weit reicht die Identifikation von Sport und Seelenheil.

„Wechselzeiten“ ist laut Regisseur Weihermüller ohne jede Förderung durch Sponsoren oder Institutionen entstanden. Auf die Idee ist Weihermüller, selbst Triathlet, gekommen, nachdem seine Frau an dem nun gezeigten Vorbereitungstraining teilnahm. Für Kamera und Schnitt nutzte er seine Kontakte zur Werbebranche, in der er auch selbst tätig ist. Der Film ist aufwändig produziert und es überrascht, dass der Veranstalter des Trainingsprogramms nicht als Sponsor beteiligt ist. Sein Angebot wird nicht nur als extrem hilfreich dargestellt – er wird auch namentlich genannt.

Die Sprache der Werbung

Der Film kommt seinen Protagonisten einerseits sehr nahe, andererseits feiert er die Bildsprache der Werbung: Die handwerklich versierten Kameraleute schaffen beeindruckende Bilder von Sportlern in Aktion, sie zeigen die Alster, die Deiche, die Seen und die Schwimmhalle als wäre es ein Imagefilm der Hamburger Tourismus-GmbH. Beinahe immer scheint die Sonne – wenn Cecilia aber zugleich vom schwierigen Verhältnis zu ihrer Mutter erzählt, entsteht da ein Kontrast, der die Glaubwürdigkeit des Film in Frage stellt. KLAUS IRLER

„Wechselzeiten“: ab 26. 6., Abaton, Hamburg; 26. + 27. 7., 2. + 3. 8., Kino am Raschplatz, Hannover