Der Klang der Einsamkeit

Hier ist es ein alleingelassenes Cello auf großer Fahrt. Dort nur ein kurzer, einsamer Klavierton. Hildur Gudnadottir und How To Dress Well beginnen ihre neuen Alben strukturell ähnlich, um dann auf völlig verschiedene musikalische Reisen zu gehen, dabei aber doch die gleichen Emotionen zu bedienen.

Hinter How To Dress Well versteckt sich Tom Krell, ein in Berlin lebender New Yorker, der mit seinem Debüt „Love Remains“ 2010 zum Star in der Blogosphäre wurde und diesen Status mit dem zwei Jahre später erschienenen „Total Loss“ zementieren konnte. Sein neues, in Neukölln aufgenommenes Album „What Is This Heart?“ wird daran nichts ändern: Wieder hat Krell bis ins letzte Detail fantasievolle Tracks programmiert.

Die Beats sind mit irritierend viel Hall unterlegt, die Streicher klingen voller Überzeugung synthetisch und immer wieder tauchen neue, spannende Sounds auf, die man so noch nicht gehört hat. Dazu badet Krell mit zitternder, bisweilen auch ins Falsett kippender Stimme in Verzweiflung, singt niedergeschlagen von Verlust und Tod. Schmerz ist sein ständiger Begleiter und so entsteht ein elektronischer Soul, der zwar bisweilen an die Konkurrenz von Chet Faker bis James Blake erinnert, aber eine zusätzliche Qualität entwickelt: Krell hat wundervoll schwebende Klangräume gebaut, die immer wieder zu verschwinden drohen, sich scheinbar in Wohlgefallen auflösen, einfach offen stehen bleiben – und so dann doch noch Licht am Horizont aufscheinen lassen.

Hildur Gudnadottir dagegen braucht keinen Computer, keine Beats, keine Samples. Sie braucht auf ihrem vierten Album „Saman“ nur Cello und Stimme, um Kathedralen aus Klang zu errichten. Die Isländerin, die nach ihrer klassischen Ausbildung für Avantgardisten wie Throbbing Gristle oder Pan Sonic spielte, aber auch für eine Electro-Popband wie The Knife als Studiomusikerin arbeitete, lässt ihr Instrument mal schabend klagen, mal romantische Linien ziehen, zupft mal nervös oder streicht lyrisch. Wenn Gudnadottir dann noch zu singen beginnt mit seltsam mäandernder Stimme, verschwimmen die Grenzen zwischen Klassik, Neuer Musik und Folk endgültig.

So klingt Hildur Gudnadottir zwar vollkommen anders als How To Dress Well, aber doch sind sich die beiden überraschend ähnlich. Denn egal von was sie im Einzelfall singen, ihre Musik hat vor allem ein Thema: Wie klingt die Einsamkeit?

THOMAS WINKLER

■ How To Dress Well: „What Is This Heart?“ (Domino/GoodToGo)

■ Hildur Gudnadottir: „Saman“ (Touch)