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: Mord an einem Geläuterten

Darrent Williams, Cornerback in Denver, ist erschossen worden. Der Start in die NFL-Play-offs gerät darüber zur Nebensache

Sollte der neue Chef der National Football League (NFL) Roger Goodell in seinem Job glücklos agieren, könnte er sich womöglich als Wahrsager versuchen. „Ich mache mir Sorgen über die Waffen“, ließ Goodell nach seinem Amtsantritt als Commissioner im Spätsommer verlauten, „wir müssen etwas dagegen tun, dass im Umfeld unserer Spieler Gewalt so verbreitet ist.“

Am Montag bestätigten sich die Befürchtungen von Goodell auf tragische Weise. Kurz nach zwei Uhr morgens Ortszeit in Denver wurde Darrent Williams Opfer eines Drive-by-Shootings. Der Verteidigungsspezialist der Denver Broncos saß in einer weißen Limousine, die von einem Geländewagen aus mit Kugeln durchsiebt wurde. Reporter zählten mindestens ein Dutzend Einschusslöcher. Der 24-jährige Profi war sofort tot. Zwei Begleitpersonen wurden verletzt. Auch Javon Walker, Receiver bei den Broncos, soll sich in dem Fahrzeug befunden haben. Äußern wollte er sich dazu nicht. Von den Tätern fehlt indes jede Spur, das Motiv ist unklar. Bekannt ist nur, dass die Gruppe um Williams in einem Nachtclub in einen Streit verwickelt gewesen sein soll.

Es war der zweite Schock für Broncos-Fans innerhalb kürzester Zeit. Am Sonntagnachmittag hatte das Team sensationell die Teilnahme an den Play-offs verpasst. Die Broncos verloren ihr Abschlussspiel vor 75.500 entsetzten Fans im verschneiten Invesco Field von Denver gegen Außenseiter San Francisco 49ers mit 23:26. Ein Fieldgoal in der Verlängerung besiegelte das Aus der als Mitfavoriten in die Saison gestarteten Broncos.

Statt Denver rutschte Kansas City in die Play-offs. Die Chiefs profitierten davon, dass alle ihre Konkurrenten – neben Denver noch die Cincinnati Bengals und die Tennessee Titans – ihre Heimspiele verloren, und dürfen nun kommenden Samstag bei den Colts in Indianapolis antreten. Was den Colts nicht gefallen dürfte: Denn die größte Stärke der Chiefs ist ihr Laufspiel um den überragenden Running Back Larry Johnson, während Indianapolis die ganze Saison Probleme hatte, den Lauf zu verteidigen.

Die vier Spiele des kommenden Wochenendes sind eh nur ein Vorgeplänkel. Denn die besten vier Teams der NFL greifen erst in der kommenden Woche ein, weil sie direkt fürs Viertelfinale qualifiziert sind. Und die acht Mannschaften, die die restlichen vier Viertelfinalisten ermitteln, sind nahezu allesamt von Verletzungen geplagt und haben zuletzt erbärmlich gespielt. Die Seattle Seahawks standen vor elf Monaten noch in der Super Bowl. Nun, vor ihrem Play-off-Auftakt gegen die Dallas Cowboys, sind alle ihre Cornerbacks verletzt. Im letzten, bedeutungslosen Spiel gegen Tampa Bay brach sich auch noch Kelly Herndon den Knöchel, dessen Ersatz Jimmy Williams verdrehte sich das Knie, und Marcus Trufant, der Ersatz des Ersatzmannes, stand schon auf der Verletztenliste. Nun fragt sich Seattle, wer denn die Wide Receiver der Cowboys decken soll. Denn die heißen Terrell Owens und Terry Glenn und gehören zu den Besten ihres Fachs. Mike Holmgren, der Trainer der Seahawks: „Ich habe keine Ahnung.“

Die vier gebeutelten Teams, die das kommende Wochenende überstehen, dürften gegen die ausgeruhte Konkurrenz aus Baltimore, San Diego, New Orleans und Chicago ohnehin chancenlos sein.

Doch der Football spielt nach dem Tod eines Vorzeigeathleten der NFL nur eine Nebenrolle. Denn Darrent Williams galt als Beispiel für den positiven Einfluss des Sports. Er stammte aus einer sozial schwachen Gegend im texanischen Fort Worth und trieb sich in seiner Jugend mit Straßengangs herum, bevor er zu Gott und einem gesitteten Leben fand. Für die spielfreien Monate plante Williams eine Vortragsserie durch seine Heimatstadt, um Jugendliche aus den Ghettos vor Waffen und Drogen zu warnen. Nun ist ausgerechnet er sinnloser Gewalt zum Opfer gefallen. THOMAS WINKLER