SOMALIAS ISLAMISTEN SIND BESIEGT. DOCH FRIEDEN BRINGT DAS NICHT
: Alte Gräben, neue Gefahr

Wer glaubt, beim Konflikt in Somalia ginge es um einen Machtkampf zwischen bösen Islamisten und einer guten Exilregierung, der darf den jüngsten Krieg am Horn von Afrika jetzt für beendet halten: Die Islamisten haben sich praktisch aufgelöst, ihr einstiges Herrschaftsgebiet ist nun unter Kontrolle der international anerkannten Regierung. Irgendwann wird auch Äthiopiens Schutztruppe abziehen, die die Regierung nach Mogadischu brachte, und dann kann der Wiederaufbau beginnen.

Diese Sicht der Dinge ist verlockend einfach – und falsch. Denn die Islamisten in Somalia hatten ihre Macht in Mogadischu und Umgebung weniger ihrer Ideologie zu verdanken als vielmehr ihrer Fähigkeit, alte Gräben zwischen den Clans zu überbrücken und für Sicherheit zu sorgen. Sie sammelten jene Teile der Bevölkerung um sich, die sich in der Regierung nicht vertreten fühlten. Dass sie nun verjagt wurden, schafft weder ihre Unterstützer aus der Welt, noch schließt es die politischen Gräben Somalias. Im Gegenteil: Die Regierung hat nun Probleme, sich in der Hauptstadt gegen die lokalen Clanführer zu behaupten, die schon lange vor dem Aufstieg der Islamisten den Machtanspruch der Regierung ablehnten.

Wer jetzt denkt, der Sieg der Regierungstruppen bringe Somalia endlich Frieden, der sollte sich fragen, wieso diese Regierung seit ihrer Bildung 2004 noch nie ihren Sitz in Mogadischu aufschlagen konnte – sondern nur in Baidoa, in Schussweite der äthiopischen Armee. Die islamistische Herrschaft war nur ein Kapitel in einer langen Geschichte innersomalischer Rivalitäten. Diese zu lösen, wird jetzt eher noch schwieriger. Denn zum ersten Mal hat eine der Konfliktparteien die Hilfe der Armee eines Nachbarlands beansprucht, um ihre Macht zu behaupten. Damit wird der Somalia-Konflikt auf eine Weise internationalisiert, die schwer rückgängig zu machen ist. Nicht nur Somalias Clans und Warlords müssen jetzt ihr Gesicht wahren. Das gilt auch für das mächtige Äthiopien, dessen Presse den Einzug in Mogadischu mit der Schlagzeile „Mission Accomplished“ feierte: eine Losung, die fatal an den Irak erinnert. DOMINIC JOHNSON