nachruf
: Ein Leben für das ungeteilte Jerusalem

Teddy Kollek sagte einmal auf einer seiner Geburtstagsfeiern: „Mir geht es gut – und Jerusalem auch.“ Kein Satz könnte besser beschreiben, wie sehr sich der Mann, der Jerusalem 28 Jahre lang regierte und der gestern 95-jährig dort starb, mit dem Schicksal der Stadt identifizierte. „Teddy war Jerusalem, und Jerusalem war Teddy“, drückte der heutige Bürgermeister, Uri Lupolianski, es aus. Kollek wurde in den drei Jahrzehnten, die er die Geschicke Jerusalems lenkte, zur Legende.

Das Rampenlicht der Weltgeschichte richtete sich erstmals auf Kollek, als die israelische Armee im Sechstagekrieg 1967 den Ostteil der Stadt von Jordanien eroberte. Nun konnten Juden wieder zur Klagemauer. Bewegende Bilder von weinenden israelischen Soldaten an der heiligsten Stätte des Judentums gingen damals um den Globus. Und Kollek, seit zwei Jahren im Amt, war plötzlich nicht mehr nur Bürgermeister des jüdischen Westjerusalems, sondern auch des arabischen Ostens.

Wie keiner vor und nach ihm setzte sich der linke Politiker für die Versöhnung zwischen Juden und Arabern ein. Er glaubte fest an eine friedliche Koexistenz. Erlebt hatte Kollek diese Art des Miteinanders in dem Wien, in dem er aufwuchs. Schon bald nach seiner Geburt, 1911 nahe Budapest, siedelte die Familie in die Hauptstadt der österreichisch-ungarischen Monarchie über – damals noch eine Vielvölkerstadt. „Unserem Haus gegenüber hingen im Wahlkampf Plakate auf Deutsch, Tschechisch, Slowakisch und Polnisch“, sagte er einmal. „Ich habe damals verstanden, dass auch Fremde zusammenleben können.“

Seine Eltern gaben ihm den Namen Theodor – nach dem „Erfinder“ des modernen Zionismus Theodor Herzl, ebenfalls ein Wiener. Und tatsächlich wurde der junge Kollek, der Hebräisch zeitlebens mit starkem Wiener Akzent sprach, ein glühender Anhänger der zionistischen Bewegung. Noch bevor Nazideutschland Österreich einnahm, wanderte er mit seiner Familie aus und engagierte sich in Rettungsaktionen für verfolgte Juden.

Kollek war aber nicht nur der Versöhner und Vermittler. Zu seinen Glaubenssätzen gehörte auch, dass Jerusalem nie wieder geteilt werden dürfe. Unvergessen ist auch, dass Kollek nach der Eroberung der Altstadt hunderte arabische Häuser niederreißen ließ, damit der Blick auf die Klagemauer frei wurde.

Dennoch war der Schock in Ostjerusalem genauso groß wie im Westen, als Kollek nach 28 Jahren 1993 die Wahl zum Bürgermeister verlor – ausgerechnet an den Rechten Ehud Olmert, heute Israels Regierungschef. „Unter Olmert ging die Stadt unter“, sagte Kollek über seinen Nachfolger. „Er wollte immer Ministerpräsident sein.“SILKE MERTINS