Hinein ins junge Staatswesen

FILMREIHE Die Heinrich Böll Stiftung hat ein Filmprogramm zusammengestellt, das sich mit der Rolle der arabischen Juden in Israel befasst

Der ethnische Humor ist fragwürdig – aber erträglicher als in „Erkan und Stefan“

Die erste Arbeit des israelischen Satirikers Ephraim Kishon fürs Kino stammt aus dem Jahr 1964. Die Titelfigur des Spielfilms „Sallah Shabati“, ein arabischer Jude, landet nach der Ankunft in Israel in einem wenig wohnlichen Flüchtlingscamp. Der Immigrant spielt lieber mit seinem Nachbarn Backgammon, als auf dem Feld zu arbeiten, er verkauft bei der Knesset-Wahl seine Stimme an fünf unterschiedliche Parteien gleichzeitig und würde dasselbe am liebsten auch mit seiner umworbenen Tochter tun.

Die Heinrich Böll Stiftung zeigt Kishons Film im Kino in der Kulturbrauerei im Rahmen der Filmreihe „Israel im Orient – Orient in Israel. Orientalisches Erbe der jüdischen Diaspora“ als ein zentrales Werk des Bureka-Genres. Diese genuin israelische Filmform behandelte in einem populären Idiom das im Kino des Landes ansonsten unterrepräsentierte Schicksal arabischer Juden. Die mehrheitlich irakisch-, marokkanisch- oder ägyptischstämmige Misrachim hatten nach der Staatsgründung unter Diskriminierung von Seiten der europäisch kulturalisierten Aschkenasim-Elite zu leiden. Inzwischen hat sich die Situation verbessert, auch wenn die sozioökonomischen Ungleichheiten längst nicht nivelliert sind.

Die Konzeption des Programms hat im Vorfeld Kritik auf sich gezogen, namentlich von der Gruppe „Kritische Juden und Israel“. Die wirft der Böll-Stiftung vor, das Schicksal der Misrachim zu verharmlosen und außerdem die Vertreibung palästinensischer Muslime von Anfang an auszuklammern. Ohne derartige Vorwürfe pauschal zurückweisen zu wollen, sollte man darauf hinweisen, dass die gezeigten Filme sich meist nicht so einfach auf eindeutige politische Positionen festlegen lassen. Dies gilt auch und insbesondere für die Bureka-Filme selbst, von denen man gerne mehr gesehen hätte als nur den einen Klassiker.

Das Genre interessierte sich für den arabischen Immigranten aus einer exotistischen Perspektive, es machte seine Lebensart lächerlich und erzog ihn stellvertretend zum vollwertigen, europäisierten Mitglied des Staatswesens. Zweifellos ist auch Kishons „Sallah Shabati“ eine Akkumulation rassistischer Stereotype. Gleichzeitig aber kritisiert Kishon die Situationen im Flüchtlingslager, macht sich über weltfremde Kibbuz-Idealisten lustig und deutet außerdem die erfolgreiche Integration einer jüngeren Generation arabischer Einwanderer in das Staatswesen Israel an. Selbstverständlich ist auch eine solche Wendung ideologisch. Doch welche Erzählung über die Konstitution einer Gemeinschaft wäre jemals ideologiefrei gewesen? Auch der fragwürdige, aus guten Gründen nicht mehr zeitgemäße ethnische Humor – der, nebenbei bemerkt, erträglicher ist als beispielsweise „Erkan und Stefan“ – macht den Film nicht zu einem israelischen „Birth of a Nation“.

Szenen aus „Sallah Shabati“ tauchen auch in „Forget Baghdad“ auf, einem stilistisch etwas aufdringlichen, aber sehr interessanten Dokumentarfilm des im Irak geborenen Schweizers Samir. „Forget Baghdad“ rollt die Geschichte der Misrachim anhand von Interviews mit ehemaligen Mitgliedern der irakischen kommunistischen Partei auf, die heute in Israel leben. Es geht um das vom nationalsozialistischen Deutschland unterstützte Farhud-Pogrom an der jüdischen Bevölkerung Bagdads 1941, um die Folgen der israelischen Staatsgründung für das Verhältnis der religiösen Minderheit zur muslimischen Mehrheitsgesellschaft und um – freilich nicht belegte – Kooperationen des israelischen Geheimdiensts mit der irakischen Führung.

Im Programm finden sich aber auch Filme, die eine Gegenwart beschreiben, in der die historischen Kämpfe an Bedeutung verloren haben und Identität sich aus anderen Quellen speist. „The Barbecue People“ von Yossi Madmoni und David Ofek etwa entwirft ein gleichzeitig verwinkeltes und weit ausgreifendes Panorama rund um eine irakischstämmige Familie in Israel. Einige Spuren führen in den zionistischen Widerstand in Bagdad, andere jedoch in ganz andere Richtungen, zum Beispiel nach New York. Dort dreht der Sohn der Familie einen Trash-Film und führt ihn Lloyd Kaufman, dem Boss der legendären B-Film-Schmiede Troma, vor. Der Titel: „Attack of the Giant Hooker“.

LUKAS FOERSTER

■ „Israel im Orient – Orient in Israel. Orientalisches Erbe der jüdischen Diaspora“: 28. 1.–31. 1., Kino in der Kulturbrauerei. Programm unter www.boell.de