Der Winter kommt von der Küste

Weil der Winter bisher keinen Schnee gebracht hat, fahren die BiahletInnen beim Weltcup im thüringischen Oberhof auf Kunstschnee. Den produziert nun ausgerechnet eine Eisfabrik in Bremerhaven, deren Geschäft sonst hauptsächlich darin besteht, Fische zu kühlen

Zum gestrigen Auftakt des Biathlon-Weltcups in Oberhof achteten die SportlerInnen womöglich noch genauer darauf, wie ihre Skier über den Schnee glitten. Denn die weiße Pracht, ohne die an einen Weltcup nicht zu denken ist, musste aus Norddeutschland herangekarrt werden. Die Eisfabrik in Bremerhaven produziert zur Zeit nicht nur Kühleis, sie mahlt es mit einem speziellen Verfahren zu Schnee und schickt diesen nach Oberhof.

Der Winter war bisher einfach viel zu warm, an Schnee war im thüringischen Wintersportort nicht zu denken. Doch den Weltcup „nur“ wegen des Wetters abzusagen kam für die Veranstalter nicht in Frage. Mehrere Versuche, den Schnee selbst herzustellen, scheiterten alle an der benötigten Menge. Und so blieb nur eine Möglichkeit: der Schnee musste „importiert“ werden.

Absurd, könnte man meinen, dass der Schnee nicht aus den Bergen, sondern von der Nordsee kommt. Doch angeblich gab es keine andere Möglichkeit. Auch „Schneekanonen sprühen Wasser in die Luft, das dann bei entsprechenden Temperaturen gefriert. Doch das funktioniert erst ab Minus 3 Grad und trockener Kälte“, sagt die Geschäftsführerin der Bremerhavener Eiswerk GmbH, Helga Düring. Und eine weitere Eisfabrik in dieser Größe gibt es in ganz Deutschland nicht mehr.

Insgesamt 67 Transporte mit jeweils 25 Tonnen Eisschnee sind in den vergangenen zwei Wochen von Bremerhaven aus gerollt, die letzten Fuhren werden heute am Ziel ankommen. „Falls jedoch während der Wettkampftage erneut Bedarf entsteht, können wir jederzeit mehr Schnee nachschicken“, so Düring. Wie funktioniert das in der Praxis? „Wir stellen als Eisfabrik Brucheis in verschieden großen Stücken her, das normalerweise vor allem für die Kühlung von Fisch verwendet wird“, sagt Düring. In diesem speziellen Fall werde dieses „Röhreneis“ so klein gemahlen, bis es den typischen Schneecharakter erhalte.

Damit der Eisschnee nicht schon während der Fahrt schmilzt, wird er in Alumulden verpackt, mit Planen abgedeckt und bei Minus 1 Grad transportiert. Kritisch sehen die Verwendung von Kunstschnee vor allem Umweltschützer: Die Produktion kostet viel Energie, hinzu kommen die Transporte über die Distanz von rund 430 Kilometern von Nordwestdeutschland nach Thüringen.

Daran stören sich jedoch weder die Veranstalter des Weltcups, noch die Hersteller des Kunstschnees. „Wir vertreten vor allem den wirtschaftlichen Standpunkt“, betont Düring. „Die Monate von November bis Februar sind meistens sehr umsatzschwach. Da kommt so eine große Menge an benötigtem Eisschnee natürlich gerade richtig.“

Maren Schultz