Sohn im Knast, damit der Vater schweigt

Um einen Menschenrechtler mundtot zu machen, lässt Usbekistans Regierung dessen Sohn in Haft misshandeln

BAKU taz ■ Ichtior Chamrajew hat nicht gefeiert, weder das Opferfest noch Neujahr. Am 26. Dezember 2006 wurde der 21-jährige Usbeke in der Gefangenenkolonie U/JA No 64/78 zusammengeschlagen. Ihm wurden Handschellen angelegt, Wachmannschaften prügelten auf ihn ein, er wurde getreten und an den Haaren über den Hof gezogen. So steht es in einem Brief, den ein Angehöriger am Lagertor erhielt. Die Familie soll wissen, was mit Ichtior passiert. Der Vater Bachtior Chamrajew, ein Menschenrechtler in der Provinz Yisak, soll schweigen.

Der Menschenrechtsdialog, den die usbekische Regierung der EU in Aussicht gestellt hat, konnte dem jungen Mann bisher nicht helfen. Die Herrschenden in der Hauptstadt Taschkent wollen die Aufhebung der EU-Sanktionen erreichen. Einreisebeschränkungen und Waffenembargo wurden nach dem Massaker von Andischan verfügt, als am 13. Mai 2005 usbekische Truppen einen Volksaufstand niederschossen.

Der Staatsminister des Auswärtigen Amtes, Gernot Erler, sagte unlängst der Frankfurter Rundschau, dass er Anzeichen sähe, dass sich die usbekische Regierung einer kritischen Diskussion um die Menschenrechtsproblematik öffnete. Usbekistan hatte zuvor einen Journalisten und einen Menschenrechtler freigelassen. Unter der deutschen EU Präsidentschaft soll eine Zentralasienstrategie formuliert und das bevölkerungsreichste Land in Zentralasien einbezogen werden.

Mit der Unabhängigkeit nahm die Willkür in Usbekistan unter Präsident Islam Karimow stetig zu. Nach dem Massaker von Andischan wurde sie unerträglich. Journalisten, Menschenrechtler und Oppositionelle wurden verhaftet, zusammengeschlagen und außer Landes getrieben. Bachtior Chamrajew ließ sich nicht einschüchtern. Er sammelt Berichte über die Schikanen der Provinzverwaltung, um den Bauern die Baumwollernte, die wichtigste Devisenquelle des Landes, abzupressen.

Am 2. August 2006 kam Chamrajews Sohn an die Reihe. Er wurde beim Broteinkauf in eine Prügelei verwickelt. Auf einem Foto sieht man den jungen Mann mit stolz vorgestrecktem Kinn. Ichtior hat gelernt, sich zu wehren. Vor dem Gericht sagte er, dass er gezielt provoziert worden sei. Eine in Usbekistan übliche Methode, um Menschen hinter Gitter zu bringen. Wegen Rowdytums wurde er zu drei Jahren Gefängnisstrafe verurteilt.

Dem Vater war von Beginn an klar, dass der Sohn wegen ihm einsitzt. Gewissheit erhielt er, als in Usbekistan zu Ehren des Verfassungstags Anfang Dezember eine Amnestie erklärt wurde. Alle Ersttäter mit minderschweren Vergehen sollten freigelassen werden. Bachtior Chamrajew erhielt einen Anruf seines Sohnes aus dem Büro des Gefängnisdirektion. Wegen Verstößen gegen die Lagerregeln würde er nicht unter die Amnestie fallen, sagte er und bat den Vater, die Menschenrechtstätigkeit einzustellen. Als letzte Möglichkeit plant Bachtior Chamrajew, vor die Staatsanwaltschaft seiner Provinz zu ziehen, um die Freiheit des Sohnes zu fordern.

MARCUS BENSMANN