EU will Schmalspur

Die Verkehrsverbünde in NRW wollen ihre Zugstrecken weiter ausschreiben, obwohl die EU sie von dieser Pflicht befreien will. Private Bahnunternehmen fürchten dennoch um den Wettbewerb

VON KLAUS JANSEN

Die nordrhein-westfälischen Nahverkehrsbetreiber sind liberaler als die Europäische Union. Die beiden größten Verkehrsverbünde Rhein-Ruhr (VRR) und Rhein-Sieg (VRS) kündigten an, den Betrieb ihrer Nahverkehrsstrecken auch künftig europaweit auszuschreiben – obwohl ihnen die EU-Kommission mit einer neuen Verordnung erlauben will, Aufträge auch ohne ein Bieterverfahren zu vergeben.

„Ausschreibungen sind förderlich für die Qualität und die Preise im Nahverkehr“, sagte VRR-Sprecher Hans Oehl. VRS-Sprecherin Ariane Weber verwies auf die „guten Erfahrungen“, die die Verkehrsverbünde mit der Liberalisierung des Bahnverkehrs gemacht hätten.

Auf Initiative von Frankreich hatten sich die europäischen Verkehrsminister darauf verständigt, die Ausschreibungspflicht abzuschaffen. Die private Konkurrenz fürchtet durch diesen Vorstoß eine Stärkung der staatlichen Bahnbetriebe – und protestiert: „Wenn das so durchkäme, wäre der Hauptprofiteur die Deutsche Bahn“, sagt Matthias Roeser, Sprecher des Verkehrsunternehmens Veolia, das über seine Tochtergesellschaft Connex unter anderem die Nordwestbahn im Münsterland betreibt. Auch Axel Keimling, Sprecher der zwischen Wuppertal und Mönchengladbach verkehrenden Regiobahn, warnt vor einer Aufhebung der Ausschreibungspflicht: „Es besteht die Gefahr, dass statt dem besten Anbieter derjenige gewinnt, der die größte Hausmacht hat.“

Bislang betreibt die DB bundesweit etwa 90 Prozent der Nahverkehrsstrecken. In den kommenden zehn Jahren soll in NRW jedoch fast das komplette Streckennetz neu ausgeschrieben werden. „Bis 2014 bringen wir 14 Millionen Streckenkilometer auf den Markt. Danach folgt das S-Bahn-Netz“, sagt VRR-Sprecher Oehl. Aktuell läuft das Bieterverfahren für die Regionalexpressstrecke zwischen Hamm und Venlo. Neben der DB haben sich auch private Konkurrenten aus dem In- und Ausland beworben.

Fahrgastvertreter bewerten den bisherigen Verlauf der Liberalisierung im Bahnverkehr positiv. „Vor allem in den Anfangsjahren hat die Konkurrenz die DB zu mehr Qualität und günstigeren Preisen gezwungen“, sagt Lothar Ebbers vom Verband Pro Bahn in NRW. Zwar sei ein Teil der Euphorie verpufft, weil die oft kleinen Privaten der mächtigen Netzbesitzerin DB nicht wirklich auf Augenhöhe begegnen könnten – trotzdem sei es das falsche Signal, den Wettbewerb zurückzufahren.

Begrüßt wird der Vorstoß aus Brüssel hingegen von kommunalen Spitzenverbänden. Sie hoffen, dass die EU nach dem Nahverkehr auch so genannte „Inhouse-Geschäfte“ wie die Vergabe der Abwasserversorgung oder der Müllabfuhr von der Ausschreibungspflicht befreit. „Wir sehen das als Anlass, die Rechtssprechung zu überprüfen“, sagt Jens Lattmann, Wirtschaftsdezernent beim Deutschen Städtetag. Sein Verband hat Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, sich während ihrer EU-Ratspräsidentschaft für den Schutz kommunaler Unternehmen stark zu machen. Seine Hoffnungen sind allerdings gering: „Brüssel reagiert auf unsere Forderungen ziemlich allergisch.“