Immer für die Underdogs

WM Die taz freut sich über Tore von Müller, Klose & Co., auch beim Public Viewing? Das wundert zu Bürgerlichen konvertierte Linke? Uns doch nicht

■ Täglich bis zum 15. Juli erscheinen in der taz bis zu sechs Sonderseiten von der Fußball-WM in Brasilien. Hintergründe und Aktuelles von Sportlichem, aus der Protestszene und der Kultur.

■ Auf taz.de/WM lesen Sie am aktuellsten Analysen und Einschätzungen von den eben abgepfiffenen Partien. Dort auch Glossen und Reportagen aus allen Teilen der Welt.

VON JAN FEDDERSEN

Neulich feierte die taz den 25. Geburtstag ihres Umzugs aus dem Wedding in die Kochstraße (heute Rudi-Dutschke-Straße). Auch taz-VeteranInnen kamen zum Plausch. Im Hintergrund: ein WM-Spiel. Einst für die taz tätige KollegInnen vom Berliner Tagesspiegel müssen verblüfft gewesen sein. Denn auf ihren Seiten zur WM stand Folgendes über uns zu lesen: „Was ist bloß mit den Linken los? Die ‚taz‘ lädt zum Spiel der deutschen Nationalmannschaft in ihr Verlagshaus an der Rudi-Dutschke-Straße ein. Public Viewing – so etwas hat es dort noch nie gegeben. Und dann werden weder die Portugiesen als arme Opfer der Euro-Krise angefeuert noch wird die Kanzlerin ausgepfiffen oder beim Absingen der deutschen Nationalhymne gebuht – stattdessen wird bei jedem deutschen Tor ausgiebig gejubelt.“

Uff! War es schon so lange her, dass bewährte KollegInnen uns verließen – so in den späten Achtzigern? Als Linkssein noch antideutsch, jedenfalls grundsätzlich pessimistisch und depressiv bedeutete, als dieses Wort noch eine Haltung meinte, die man als „nicht einverstanden mit allem“ bezeichnen könnte? Nein, wir wissen: So war es nicht. Aber, ehrlich gesagt, die taz-Leidenschaft für den Fußball im DFB-Trikot entzündete sich nicht debattenlos im Jahre 2006. Das war, als hierzulande die WM stattfand und hinterher Regisseure wie Sönke Wortmann das sogenannte „Sommermärchen“ für das Kino aufbereiteten. Das war, als auch Popkritiker, Literaturrezensenten und Politradikale durchaus linker Identität plötzlich ziemlich nerdig über Fußball plauderte. Damals lud die taz zum ersten Mal zum Public Viewing. Beim Spiel gegen Argentinien war das taz Café so überfüllt, dass es nicht allein der hochsommerlichen Temperaturen wegen zu Atemnot kam. Und jedes der Tore der Spieler Jürgen Klinsmanns dröhnend, jauchzend und einverständig bejubelt worden waren.

Insofern stimmte schon die Tagesspiegel-Information nicht, dass es erstmals in der taz ein Public Viewing gibt. Machen wir dauernd, und zwar gerne. So wie den WM-Sonderteil der taz auch. Mehr als ein Dutzend KollegInnen der taz – Redakteure aus dem Ausland, tazzwei/Medien, von den Onlinern, der taz.am wochenende und Nachwuchsleuten der taz Akademie – arbeiten viereinhalb Wochen zusammen.

Sehr viele LeserInnen konnten wir mit dem WM-Abo gewinnen, und etliche von ihnen schicken uns begeisterte, freundliche bis kritische, aber immer Anteil nehmende Briefe: Fußball als spannende Performance globalen Zuschnitts. Und für uns, die Fußball und Politik und Gesellschaft journalistisch zusammendenken wollen, mag das heißen: Ideologische Scheuklappen, und seien sie schwarz-rot-gold gehäkelt, stören für die genauere Beobachtung nur. Ohnehin: Die taz ist für Außenseiter. Meistens. Und für Schönheit. Auch fast immer. Ein Herz den Underdogs – wie auch beim Fußball, alles in allem, für Löw-Deutschland.

Mit anderen Worten: Wenn unsere zum Tagesspiegel migrierten KollegInnen beherzt WM gucken möchten – herzlich willkommen, bis zum 13. Juli!

Fragen zur WM, zum Public Viewing? Mailen Sie: ausdertaz@taz.de