Zahlen und Muskeln

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Wenn die Kanzlerin heute aus Washington zurückkommt, kann sie feststellen, dass Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ihre Hausaufgaben in der Zwischenzeit erledigt hat. So wie es Angela Merkel dem Vernehmen nach persönlich gewünscht hatte, legte Schmidt gestern ein neues Gutachten vor, das die Bedenken reicher Bundesländer gegen die Gesundheitsreform entkräftet. Zumindest auf den ersten Blick.

„Der Streit müsste jetzt beendet sein“, sagte Schmidt. Die SPD-Ministerin setzt dabei, wie CDU-Chefin Merkel, auf die Autorität des Gutachters Bert Rürup. Der Wirtschaftsweise kam zu dem Ergebnis, dass Bayern, Baden-Württemberg und Hessen durch die Gesundheitsreform weitaus weniger stark belastet werden, als es ein Kieler Institut kürzlich in Aussicht gestellt hatte (siehe Grafik).

Rürups Rückendeckung ist für die Regierung wichtig. Anders als Schmidt steht der Wissenschaftler auch bei der Union nicht unter Verdacht, sozialistischem Gedankengut anzuhängen. Im Gegenteil: Rürup hatte die CDU-Idee einer Kopfpauschale maßgeblich unterstützt.

Trotzdem erwartet niemand, dass sich die CSU, die am lautesten gegen Mehrbelastungen zu Felde zog, nun sofort beruhigt. Dass die Bayern weiter poltern, machte Generalsekretär Markus Söder schon deutlich, als er die neuen Zahlen noch gar nicht kannte. Die Bedenken seiner Partei würden durch das Gutachten „nicht ausgeräumt“. Die Ministerin habe eine „Bewährungsfrist“ von zwei Wochen, um die Reform zu ändern. Sonst werde die CSU Nein sagen.

Für große Aufregung sorgte der Lautsprecher von Parteichef Edmund Stoiber in Berlin jedoch nicht mehr. „Ich glaube, dass die CSU ein bisschen Muskeln zeigen will, aber nicht beißen wird“, sagte ein CDU-Regierungsmitglied der taz. Wenn es darauf ankomme, werde Stoiber die Reform nicht blockieren, da dies einen direkten Angriff auf die Kanzlerin und die Koalition bedeuten würde. „Dafür ist er zu schwach und dafür gibt es überhaupt keine Stimmung, jetzt, wo die Wirtschaftsdaten besser werden.“

Stoiber dürfte es wohl vor allem darum gehen, vom peinlichen Machtkampf in der eigenen Partei abzulenken. Bis zu ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth nächste Woche will die CSU-Spitze lieber über die vermeintliche Sozialistin Schmidt als über die aufmüpfige Landrätin Gabriele Pauli reden.

Stoibers Rezept gegen die internen Kritiker: gemeinsam für Bayern kämpfen, gegen Mehrbelastungen aus Berlin wehren. Diese Strategie wurde gestern jedoch vom eigenen Gesundheitsexperten durchkreuzt. „Was Professor Rürup vorgetragen hat, war für mich schlüssig“, sagte Wolfgang Zöller. Seiner Meinung nach könne man die Debatte um die Länderfinanzen nun „zu den Akten legen“.

Doch es gibt ja auch noch andere Debatten, etwa über die Privatversicherungen. An ein Ende des Gesundheitsstreits glaubt nicht einmal der Merkel-nahe Regierungsmann von der CDU: „Irgendeine Änderung wird es schon noch geben müssen, damit die CSU sagen kann, wir haben etwas erreicht.“