Wie der Staat, so der Fußball

Eine Sensation soll das sein? Dass diese Mittelamerikaner es durch die Vorrunde gegen Uruguay, Italien und England schafften? Diese Exoten aus den Büschen amerikanischer Tropen? Gequirlter kolonialer Unsinn: Dieses Land lebt einen Fußball, der dem entspricht, was in diesem Staat politisch die Sache ist. Eine demokratische, rechtsstaatliche Präsidialrepublik, die so etwas wie soziale Marktwirtschaft kennt, weder zwischen rechten Todesschwadronen noch linker Guerilla zerrieben wird – und im Übrigen das queerste (schwul, lesbisch, trans*) Land zwischen den USA und Uruguay ist.

Der Fußball der Costa Ricaner entspricht dem in ihrer Heimat gepflegten Freisinn: leben und leben lassen. Und kämpfen: um den Ball, fürs Team, um den Sieg. Keine Heulsusen wie die Griechen, die sie bestimmt im Achtelfinale putzen werden.

Den Gegenpol zu den Freigeistern aus Costa Rica bildeten bei diesem Turnier die Russen. Sie zeigten, was schieflief am Sozialismus: Leistung nur im Industriezuschnitt erbringen zu können. Nichts ist kreativ, nichts durch individuelle Klasse hervorgebracht. Alles Sowjetunion – wie die Fußballer, die zu Recht gegen die beherzt angreifenden Algerier ausschieden. Russland, Erbe der Breschnewkultur, kann nur grobes Handwerk, nur Maschinisierung, nur Massenproduktion, nur Roboterkick. Unter seinem Pflaster liegt kein Strand, sondern tote Erde.

In Costa Ricas Hauptstadt San José hingegen wird am Sonntagabend das Straßenpflaster zum Schmelzen gebracht. Vielleicht lohnt die Überlegung: Nur demokratisch-libertäre Länder bringen Spitzenfußball hervor. JAN FEDDERSEN