Der Wunsch der Alten

Per Satzungsänderung will ThyssenKrupp den Einfluss der unternehmensnahen Stiftung im Konzern erhöhen. Während Aktionärsschützer protestieren, sind die Arbeitnehmer begeistert

VON KLAUS JANSEN

Berthold Beitz hat im vergangenen Jahr seinen 93. Geburtstag gefeiert. Der Sachwalter der Krupp-Dynastie und Vorsitzende der mächtigen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung hat also ein gutes Alter erreicht, um sich Gedanken über sein Lebenswerk zu machen. Nun macht er sich daran, den Stahl- und Technologieriesen ThyssenKrupp auf lange Sicht vor feindlichen Übernahmen zu schützen: Auf der Jahreshauptversammlung in zwei Wochen stimmen die Aktionäre des Konzerns darüber ab, ob der Stiftung per Satzungsänderung drei Sitze im 20-köpfigen Aufsichtsrat des Unternehmens garantiert werden sollen. Gemeinsam mit den zehn Arbeitnehmervertretern würde die Stiftung dann über eine komfortable Mehrheit in dem Gremium verfügen und könnte so Angriffe von Konkurrenten abwehren.

Bereits im Dezember hatte die Stiftung – „zur Wahrung der Einheit des Unternehmens“ – ihren Anteil am Konzern von 23,71 auf 25,1 Prozent der Aktien erhöht und damit eine Sperrminorität erreicht. Dass sie nun auch noch die drei Aufsichtsmandate beansprucht, verärgert Aktionärsschützer. „Ich verstehe, dass ThyssenKrupp sich schützen will. Dafür die Aktionärsdemokratie auszuhebeln, ist jedoch der falsche Weg“, sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapiere (DSW). Schließlich sei es das alleinige Privileg der Aktionärsversammlung, den Aufsichtsrat zu bestimmen.

Auch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) befürchtet, dass die Steigerung des Einflusses der Stiftung auf Kosten der Kleinanleger geht. Vorstandsmitglied Hansgeorg Martius beklagt eine unrechtmäßigen Bevorzugung. „So etwas gibt es in Deutschland sonst nur beim VW-Gesetz“, sagt DSW-Sprecher Kurz. Wenn ThyssenKrupp sich schützen wolle, müsse das Unternehmen eben seinen Aktienkurs steigern. Sollte der Vorschlag auf Satzungsänderung durchkommen, will die DSW eine Klage prüfen.

Unbegründet ist die Furcht vor einer feindlichen Übernahme bei ThyssenKrupp nicht. Dass die schiere Größe des Konzerns (Börsenwert: über 17 Milliarden Euro) als Schutz allein nicht ausreichen könnte, hatte im vergangenen Jahr der bisher spektakulärste Angriff der Stahlbranche bewiesen. Im Sommer hatte der indische Marktführer Mittal Steel den Konkurrenten Arcelor übernommen. In Folge dessen waren auch im Umfeld von ThyssenKrupp immer wieder Gerüchte aufgetaucht. Zuletzt hieß es, das US-Unternehmen Nucor habe Interesse an einer Übernahme bekundet.

Von den Mitarbeitern wird das Engagement der Krupp-Stiftung deshalb begrüßt. „Es ist ein großes Glück, dass wir so angenehme Anteilseigner haben“, so der Konzernbetriebsratsvorsitzende Thomas Schlenz zur taz. In den vergangenen Jahren sei die Unsicherheit unter den Beschäftigten sehr groß gewesen. Der Ausbau des Einflusses sei auch deshalb wichtig, weil noch immer knapp drei Viertel der Aktien im Streubesitz sind. Neben Beteiligungsgesellschaften besitzen auch illustre Anteilseigner wie der Staat Iran Teile des Konzerns. Wie die im Fall eines Übernahmeangebots reagieren, ist nicht abzusehen. „Die Anteilseigner kalkulieren knallhart“, sagt der Betriebsratschef Schlenz. „Da ist es gut, dass wir uns auf die Stiftung verlassen können.“