„Die Politik legt sich still“

Hamburg will das Gebäudemanagement für Schulen an eine Fremdfirma geben. Die PersonalrätInnen der Bildungsbehörde Heike Sudmann und Thomas Osse erklären im taz-Interview, warum die Beschäftigten vehement dagegen kämpfen

Interview: KAIJA KUTTER

taz: Frau Sudmann, Herr Osse, der Senat will das Gebäudemanagement für 32 Harburger Schulen an die städtische Immobilienfirma GWG-Gewerbe übergeben. Die Gebäude sollen damit schneller vor Verfall bewahrt werden. Warum warnen Sie als Personalräte der Bildungsbehörde vor diesem Plan?

Heike Sudmann: Weil wir uns in der Republik umgucken. Die Stadt verweist auf das Modell Offenbach, wo gerade die Gebäude von 88 Schulen in ein PublicPrivatePartnership-Modell überführt wurden. Das sollte Geld sparen. Tatsächlich wurde es schon im ersten Jahr 35 Millionen Euro teurer als gedacht.

Thomas Osse: Der Landkreis Offenbach hat diese 88 Schulen an Hoch-Tief und SKE übergeben. Das sind beides gewinnorientierte Unternehmen. Der jährliche Einsatz, um die Schulen zu erhalten, lag vorher bei 22 Millionen Euro. Jetzt liegt er bei 57 Millionen mit steigender Tendenz. Der Landkreis Offenbach war vorher klamm, jetzt ist er pleite. Die können noch nicht mal mehr Möbel oder Bücher kaufen, nur die Gebäude sind toll renoviert.

Das Modell Hamburg sieht anders aus. Es sind nur 32 von 430 Schulen. Und es wurde vor dem Hintergrund der Offenbacher Erfahrungen kritisch durchgerechnet.

Sudmann: Wir wissen nicht, ob es durchgerechnet wurde. Nach dem bundeseinheitlichen Leitfaden für PublicPrivatePartnership muss der Senat die Wirtschaftlichkeit prüfen. Weder wir noch die Bürgerschaft kennen die Wirtschaftlichkeitsberechnung. Die wird auch oft nicht offengelegt, unter dem Vorwand, man müsse unternehmerische Daten schützen.

Aber es gab im Sommer 2006 eine Drucksache, aus der hervorgeht, dass sich die Sache rechnet, weil die GWG-Gewerbe schneller die Häuser saniert und der Wertverfall früher gestoppt wird.

Sudmann: Das ist die Theorie. Die Laufzeit für den Vertrag ist 25 Jahre. Innerhalb von fünf Jahren sollen alle Schulen in einem super Zustand sein. Es sind auch Schulen dabei, die schon komplett saniert sind, wo die Maßnahme gar nicht notwendig ist. Wenn Sie ein Haus haben, bei dem Sie in 15 Jahren ein Dach erneuern müssen, tun Sie das nicht sofort, sondern gucken, wann ist es dran. Die GWG bekommt in der Berechnung Geld dafür, alles sofort zu machen, was sie gar nicht machen muss. Die Stadt muss mehr Geld ausgeben, weil auch Maßnahmen vorgenommen werden, die gar nicht notwendig sind. Und was der Senat zugibt: Es wird teurer, als wenn es normal weiterläuft.

Um wie viel?

Osse: Wir sagen, für die 32 Schulen knapp fünf Millionen Euro mehr, die Stadt spricht von ein bis zwei Millionen Euro. Die Stadt bindet sich vertraglich für 25 Jahre. Dass heißt, dass für die Schulen, die nicht in dem Modell drin sind, weniger Geld da ist. Durch das PPP-Projekt beraubt sich die Stadt ihres Gestaltungsspielraums. Es sollen jetzt zum Beispiel in sozial belasteten Vierteln die Klassen kleiner werden. Dafür bräuchte man mehr Räume. Noch hat die Stadt die Chance, Prioritäten zu setzten. Das kann sie dann 25 Jahre nicht mehr. Die Politik legt sich selbst still.

Der Schulbauetat ist mit 385 Millionen Euro sehr viel größer. Da bleibt Spielraum.

Sudmann: Wir haben zuverlässige Informationen, die sagen, dass sie weitere Schulen in die Privatisierung geben wollen. Und zwar in eine echte Privatisierung, an Firmen wie Hoch-Tief. Für alle Schulen belaufen sich die Mehrkosten nach unserer Rechnung auf 80 bis 100 Millionen Euro.

Osse: Ich könnte mir gut vorstellen, dass namhafte Hamburger Bau- und Facilitymanagementfirmen daran interessiert wären.

Sudmann: In der Drucksache heißt es, dass man bei der ersten Tranche eine städtische Firma nimmt, weil weniger Widerstand zu erwarten sei. Aber man will weitere Tranchen von Schulgebäuden privatisieren. Es heißt, das wäre nötig, weil Hamburg kein Geld hat. Dabei warnt selbst der Bundesrechnungshof: PPP ist kein Finanzierungsinstrument. Sachen, die die öffentliche Hand sich nicht leisten kann, darf sie auch nicht über PPP finanzieren.

Es heißt, die GWG würde günstigere Kredite bekommen.

Sudmann: Die sind nicht günstiger als die für die Stadt. Und auch die unterstellten zweistelligen Effizienzgewinne sind nicht belegt. Auch die GWG ist verpflichtet, ihre Aufträge auszuschreiben und kann keine Billigfirmen einsetzen.

Warum laufen die Beschäftigten so massiv Sturm?

Sudmann: Wir haben in Harburg zur Zeit etwa 70 betroffene Beschäftigte, die wir als Personalrat vertreten. Wenn das auf ganz Hamburg ausgeweitet wird, haben wir etwa 1.200 Menschen, die nicht mehr Beschäftigte der öffentlichen Hand sein werden. Das geht von den Hausmeistern, deren Ehefrauen und den Betriebsarbeitern bis zur Bauabteilung.

Osse: Die Hausmeister, die ganz zur GWG übergehen sollen, verlieren Kompetenzen. Sie können nicht mehr eigenständig kleinere Reparaturaufträge vergeben und müssen alles mit ihrem Vorgesetzten bei der GWG abstimmen. Sie werden Diener zweier Herren. Sie gehören zur GWG und sollen gleichzeitig darauf achten, dass an den Schulen alles in Ordnung ist. Das geht aber nicht. Wenn uns die GWG bezahlt, werden wir sie nicht anschwärzen. Dann müsste die Stadt ein extra Controlling einführen. Das ist alles albern.

Sudmann: Es gibt auch in der Bauabteilung einen großen Unmut darüber, dass es keine besseren Abläufe gibt. Die Abteilung ist so strukturiert, dass viele Verfahren zwei, drei Mal gemacht werden müssen. Die Beschäftigten haben viele Ideen, dies zu ändern, aber bekommen nicht die Möglichkeit dazu. Es wird einfach gesagt, privat ist besser.

In der Schule Maretstraße fällt der Putz von der Decke.

Sudmann: Es stimmt, es gibt einen Sanierungsstau. Es wurde an Harburger Schulen seit dem Jahr 2000 kaum noch Geld investiert, weil schon damals, noch unter Rot-Grün, die Privatisierung überlegt wurde. Daraufhin sind alle Gelder für Harburg gestoppt worden. Insgesamt wurden in Hamburg die Gelder von 1997 bis heute um ein Drittel gesenkt. Und dann wird geklagt, der Staat könne nicht gut Schulen unterhalten.

Osse: Ich bin sicher, die Harburger Schulen werden jetzt alle sehr schön. Aber bei allen nachfolgenden Tranchen kehrt dann der triste Alltag ein.

Wie kann man die Abläufe verbessern?

Sudmann: Viele Bauanträge werden in der Bauabteilung der Schulbehörde und der Stadtentwicklungsbehörde bearbeitet. Das führt teilweise zu Doppelarbeit und Konkurrenzen. Und die Hausmeister werden kaum einbezogen. Deshalb freuen wir uns über die Zusage, die uns der CDU-Abgeordnete Robert Heinemann und der SPD-Abgeordnete Wilfried Buss Ende November auf unserer Podiumsveranstaltung gaben: Sie wollen in die Bürgerschaft einen Prüfauftrag einbringen, der den Senat auffordert, darzustellen, wo es hakt und was verbessert werden kann, damit die Baubereiche von beiden Behörden sich auch so gut aufstellen können wie GWG und SAGA.

Es wäre sinnvoll, eine Abteilung daraus zu machen.

Osse: Eben. Wir haben die Idee, dass man das alles zusammenlegt und mit der Schulhausmeisterei zum Team macht. Und dann wollen wir zeigen, dass wir mit dem Geld, das die GWG bekommt, die Sache besser machen können.

Warum ist man da nicht eher drauf gekommen?

Osse: Weil das Schlechtreden des öffentlichen Dienstes gerade sehr modern ist. Privat statt Staat ist eine Parole, die durch fast alle Parteien geht.

Wie geht es jetzt weiter?

Sudmann: Wir werden weiter öffentlich Druck machen. Der Senat wird das Harburger Modellprojekt voraussichtlich am 9. Januar beschließen und wird eine Bürgerschaftsdrucksache machen. Ich bin mir 100 Prozent sicher, dass dort die Verträge mit der GWG nicht komplett drin sind, die werden nur beschrieben werden. Und da bin ich gespannt auf Herrn Heinemann. Er hat versprochen,dass er dem Projekt nur zustimmen wird, wenn er alle Unterlagen sieht.